Wann darf das Finanzamt bei anderen Personen nachfragen?

Häufig wird berichtet, dass das Finanzamt durch Zufallsfunde oder gekaufte Informationen (z. B. „Steuer-CDs“) von relevanten Umständen Kenntnis erhält, die zu einer Änderung der Besteuerung führen. Es fragt sich allerdings, ob das Finanzamt derartige Informationen einfach direkt bei anderen Personen oder Firmen erkunden darf. Weiter stellt sich die Frage, was man gegen diese Ersuchen (vorbeugend oder nachträglich) tun kann.

Der Bundesfinanzhof hat in der Entscheidung vom 29.07.2015, Aktenzeichen X R 4/14 dazu wichtige Grundsätze erörtert:

1. Das Gesetz eröffnet den Finanzbehörden zwar die Möglichkeit, Auskünfte bei Dritten einzuholen. Ermittlungen „ins Blaue hinein“ sind jedoch unzulässig. Es bedarf eines Anfangsverdachts, der sich aus konkreten Hinweisen oder allgemeiner Erfahrung ergeben kann.

2. Die Veranlagungsstellen der Finanzämter sind nicht auf die Tätigkeit der Steuerfahndung bei der Ermittlung von Steuersachverhalten beschränkt. Vielmehr können Veranlagungsbeamte selbst geeignete Maßnahmen anordnen, z. B.  eine Außenprüfung oder Einzelermittlungen. Welches Mittel am zweckmäßigsten erscheint, können die Finanzämter frei entscheiden.

3. Geht es um die Aufdeckung steuererheblicher Tatsachen, können Auskunftsersuchen an andere Personen gestellt werden. Aber: Vor dem Auskunftsersuchen an Dritte ist im Regelfall der Steuerpflichtige selbst zu befragen. Ausnahmen können nur dann gelten, wenn davon auszugehen ist, dass er die Mitwirkung verweigert (z. B. durch vorherige Äußerungen), oder die Person des Beteiligten unbekannt ist.

4. Holt das Finanzamt eine Auskunft bei einem Dritten ein, obwohl es zunächst beim Steuerpflichtigen um Mitwirkung zur Aufklärung des Sachverhalts nachfragen hätte müssen, so kann er eine Fortsetzungsfeststellungsklage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit beim Finanzgericht erheben.

 

Bei Bewertung dieser Grundsätze mag man zunächst fragen, was die Feststellung der Rechtswidrigkeit noch für einen Nutzen haben soll, wenn der Steuersachverhalt ja durch die Auskunft (der anderen Person) bereits erteilt wurde und ggf. die Besteuerung geändert wurde. Die Feststellung nützt aber in vielen Fällen: So können nicht nur Kosten der Steuerberatung und rechtlichen Beratung im Zusammenhang mit der Drittauskunft dem Finanzamt in einem Zivilprozess auferlegt werden, die bei direkter Auskunft durch den Steuerpflichtigen nicht entstanden wären. Insbesondere beim Vorwurf einer Steuerstraftat kann den Finanzbehörden entgegengehalten werden, die Tat sei vor Einholung der Auskunft bei einer anderen Person noch nicht entdeckt gewesen; hätte ein Auskunftsersuchen den Steuerpflichtigen direkt erreicht, so hätte er den Sachverhalt vollständig mit entsprechenden Angaben dargestellt, was einer strafbefreienden Selbstanzeige entspricht. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Auskunft von einem Dritten kann daher sogar zur Entlastung im Verfahren einer Steuerstraftat führen oder für eine Rehabilitation durch einen Zivilprozess wegen Schadensersatz führen.

Allgemein setzt die hier zitierte Entscheidung des Bundesfinanzhofs auch ein Zeichen für die Personen, welche Auskunftsersuchen des Finanzamts wegen Steuersachverhalten erhalten, bei denen es um die Besteuerung eines Dritten geht. Diese Personen haben an sich keine Verpflichtung zur Erteilung der Auskunft. Handelt es sich bei dem vermeintlich Steuerpflichtigen um einen wichtigen Geschäftspartner, sollten sie ihn rasch über das Auskunftsersuchen informieren, damit sich ihm die Chance bietet, die Informationen selbst an das Finanzamt zu geben und Schlimmeres zu verhindern.