Steuerlicher Abzug der Kosten des Erststudiums

Aufwendungen für ein nach dem Abitur aufgenommenes  Erststudium oder eine erstmalige Berufsausbildung nach dem absolvierten Schulabschluss können grundsätzlich als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben und nicht mehr nur als begrenzt abzugsfähige Sonderausgaben berücksichtigt werden.

Der Bundesfinanzhof stellte in zwei Grundsatzurteilen (28.07.2011; VI R 7/10 und VI R 38/10) klar, dass nach derzeit geltender Rechtslage beruflich veranlasste Aufwendungen – erstmalige Berufsausbildung oder  Erststudium  im Anschluss an das Abitur oder einem anderen Schulabschluss – dem Grunde nach steuerlich als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben anzuerkennen sind. Ein solcher Veranlassungszusammenhang sei regelmäßig gegeben, wenn die erstmalige Ausbildung Berufswissen vermittelt und damit auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet ist.

Aus dem umstrittenen § 12 Nr. 5 EStG ergibt sich kein generelles Abzugsverbot, weil die Vorschrift ausdrücklich regelt, dass Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung und für ein Erststudium bei den einzelnen Einkunftsarten und nachfolgend vom Gesamtbetrag der Einkünfte nur insoweit nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abgezogen werden dürften, als zum Sonderausgabenabzug nicht etwas anderes bestimmt sei. Nach 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG greift aber der Grundsatz, dass Aufwendungen nur dann als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn nicht der vorrangige Abzug bei den Einkünften zur Anwendung kommt. Sind also die Kosten der Ausbildung oder für das Erststudium  so hinreichend konkret durch die spätere (nicht-)selbstständige Berufstätigkeit veranlasst, müssen sie als vorweggenommene Werbungskosten oder Betriebsausgaben berücksichtigt werden.

Der Tenor dieser beiden BFH-Entscheidungen hat insbesondere drei positive Folgewirkungen für Studenten, Azubis, Lehrlinge und alle, die mit ihrer Ausbildung einen konkreten Beruf anstreben

  • Die Kosten müssen nicht mehr lediglich jährlich beschränkt bis zu 4.000 EUR als Sonderausgaben abgezogen werden. Beim Ansatz von Werbungskosten oder Betriebsausgaben wirkt sich auch ein darüber hinaus gehender Betrag auf das zu versteuernde Einkommen aus.
  • Sofern Studenten oder Azubis kein anderes Einkommen haben, verpuffen die getätigten Aufwendungen nicht mehr wirkungslos über den Sonderausgabenabzug.
  • Es ist nicht mehr hinderlich, dass es im Bereich der Sonderausgaben keinen Verlustvortrag nach § 10d EStG gibt. Ihre Aufwendungen konnten Betroffene, die während der Ausbildung oder dem Studium kaum Geld verdienten, bisher nicht nach Abschluss der Maßnahme steuerlich durch Verrechnung nutzen, wenn sie dann die durch die Ausbildung angestrebten höheren steuerpflichtigen Einnahmen erzielten. Dieser Weg eröffnet sich jetzt, da Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu negativen Einkünften führen.

Tipp: Steuerpflichtige, die derzeit in das Arbeitsleben durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eintreten oder vor kurzem eingetreten sind, sollten die Kosten eines Studiums (Studiengebühren etc.), welches in Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit steht, sofort nachträglich erklären, wenn sich hieraus unter Einbeziehung sonstiger Erwerbstätigkeit während des Studiums negative Werbungskosten ergeben. Diese können dann im ersten Jahr mit positiven Einkünften in Abzug gebracht werden. Studenten sollten zumindest alle Belege über durch das Studium veranlasste Kosten sammeln und  beobachten, ob die Gesetzgebung und Finanzverwaltung den Abzug der Studiumskosten gemäß der neuen Rechtsprechung künftig weiter zulassen. Im Zweifel sind die Kosten zur Vermeidung von Rechtsnachteilen (z. B. Festsetzungsverjährung von in der Regel vier Jahren)  mit Steuererklärung anzumelden.