Erwerbspflicht bei Kindesunterhalt: wieviel Arbeit und Einkommen wird mindestens verlangt?

Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht kann sich der Schuldner von Kindesunterhalt in Geld (bei getrennt lebenden Eltern der das Kind weniger oder nicht betreuende Elternteil) nicht einfach darauf berufen, er habe schon immer keine Arbeit ausgeübt, nur in Teilzeit gearbeitet o. ä. Darauf darf man aufgrund der strengen Erwerbsobliegenheit nicht vertrauen, im Gegenteil wird erwartet, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen, um im Einzelfall einen ausreichenden Kindesunterhalt zahlen zu können. Besonders kritisch betrachten die Gerichte die Verhältnisse, wenn das Einkommen beim Pflichtigen rechnerisch nicht genügt, um neben seinem eigenen Existenzminimum noch den gesetzlichen Mindestunterhalt für das Kind zu entrichten. Es gibt zwar  Grenzen, bei deren Unterschreiten der Pflichtige nicht mehr leistungsfähig sein soll. So stellt der notwendige Eigenbedarf eine Art „Schallmauer“ dar, sie liegt derzeit im Fall der Erwerbstätigkeit bei einem Einkommen netto von 1.080 EUR und darunter, ansonsten bei 880 EUR und darunter. Diese Grenzen dürfen aber nicht als fixe Größe verstanden werden, es kommt – wie so oft im Unterhaltsrecht – auf den Einzelfall an. So gibt es auch einen höheren „angemessenen Eigenbedarf“, der bei dem Unterhalt für volljährige Kinder gelten soll (derzeit 1.300 EUR). Auch kann sich der Selbstbehalt durch höhere oder niedrigere Wohnkosten erhöhen oder vermindern. Es gibt viele weitere Gesichtspunkte wie z. B. das Zusammenleben des Pflichtigen mit einer anderen leistungsfähigen Person, das Einkommen des anderen (betreuenden) Elternteils, eigenes Einkommen des Kindes. Zum Unterhaltseinkommen an sich lassen sich aus der neueren Rechtsprechung folgende Regeln feststellen:

Es kann eine wöchentliche Vollzeitbeschäftigung verlangt werden (ca. 40 Stunden); eine wöchentliche Arbeitszeit von 48 Stunden braucht aber nicht überschritten zu werden;

  • Die Höhe des Lohns hängt vom Einzelfall ab, insbesondere der beruflichen Qualifikation, der bisherigen Karriere,  besonderen Kenntnisse in Fachbereichen, sprachlicher Kenntnisse und der persönlichen Verhältnisse, besonderer örtlicher Arbeitsmarktverhältnisse, etc.
  • Wird kein ausreichendes Einkommen erzielt, so kann bei zeitlicher Kapazität noch eine Nebentätigkeit verlangt werden; andernfalls kann sogar (gerade bei Selbstständigen) verlangt werden, den ausgeübten Beruf aufzugeben und einen anderen Beruf bzw.unter anderen Bedingungen (in abhängiger Beschäftigung) auszuüben.
  • Auf erzielbare Einkünfte darf nicht verzichtet werden. Können z. B. eine Vollrente beantragt werden, ein Teil der sehr großen Wohnung vermietet werden, oder Zinsen und liquide Mittel bei Verkauf eines nicht zwingend benötigten Wirtschaftsguts aus dem Erlös erwirtschaftet werden, so wird dies unterhaltsrechtlich verlangt. Steuervorteile (z. B. aus einer Zusammenveranlagung) sind auszuschöpfen.
  • Vermögen wird als Einkommen behandelt, wenn es zum Zweck des Einkommensersatzes dienen soll (so die Abfindung zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Arbeitslosigkeit).

 

Was aber, wenn man diese Regeln trotzdem ignoriert? Für den Bereich des Familienrechts unterstellen die Gerichte dann das erzielbare Einkommen als „fiktives Einkommen“ und errechnen hieraus den geschuldeten Unterhalt. Ob er jemals vom Kind gegen den Pflichtigen vollstreckt werden kann, ist eine andere Frage und hängt von der künftigen Entwicklung seines Einkommens und Vermögens ab. Man sollte allerdings wissen, dass die vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht strafbar ist (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren).