Geschenkt ist geschenkt, Hauptsache der Schenker ist (noch) geschäftsfähig? Von wegen!

Häufig werden ältere Personen Verwandten oder Freunden darauf angesprochen, wie man denn die Rechtsnachfolge beim Vermögen regeln wolle, und, ob denn Verfügungen zugunsten des Anfragenden beabsichtigt sind. In der Nachfrage allein wird nichts rechtlich Verwerfliches zu sehen sein. Wenn es aber dann tatsächlich zu einem Schenkungsvertrag kommt, kann die Schenkung im Einzelfall sittenwidrig und unwirksam sein. Dies erkennt der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 15.11.2022, X ZR 40/20. Der Sachverhalt: Ein 95-jähriger (Kläger) übertrug mit jeweils notariellen Verträgen seinem Sohn ein Mehrfamilienhaus und dessen beiden Söhnen Wertpapiere mit beachtlichem Wert. Wenig später focht der Kläger die Rechtsgeschäfte gegenüber den Enkeln wegen „Inhaltsirrtums“ an und verlangte Rückabwicklung. Das Oberlandesgericht (OLG) wies seine Klage ab. Der BGH bestätigte in der Revision zwar die angefochtene Entscheidung in dem Punkt, dass die Anfechtung nicht durchgreift, da ein Inhaltsirrtum nicht angenommen werden kann, wenn die erklärende Person den Inhalt der Erklärung nicht erkennt oder versteht. Erforderlich ist, dass der Erklärende eine bestimmte, vom tatsächlichen Inhalt abweichende Vorstellung hat. Das war nicht der Fall. Dennoch wurde die Entscheidung vom OLG wegen der weiteren Prüfung der Frage der Sittenwidrigkeit der Schenkungen zurückverwiesen. Denn es war vom OLG nicht der Umstand überprüft und berücksichtigt worden, dass der Vater der Beschenkten den Kläger am Vorabend der Schenkungen intensiv dahingehend „bearbeitet“ hatte, dann am nächsten Tag dann ihn zum Notariat fuhr, wo der Kläger erstmals die Schenkungsurkunden sah und unterzeichnete. Ebenso war der Kläger schon einige Wochen vor der Beurkundung vom Vater der Beklagten überwacht und weitgehend isoliert worden. Der BGH betont allgemein, dass eine objektive und subjektive Zwangslage auch von einer anderen Person als der beschenkten Person herbeigeführt werden kann. Die Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit können jedenfalls auch dann gegeben sein, wenn der Zuwendungsempfänger den Schenkungsvertrag abschließt, obwohl er weiß, dass der Schenker aufgrund einer solchen Zwangslage handelt.

Aus diesem Urteil folgt für die Rechtspraxis, dass zur Vermeidung jeglicher Einwendungen der Unwirksamkeit einer Schenkung gerade bei älteren Personen, welche oft allein leben oder keine Möglichkeiten der objektiver Rechtsberatung wahrnehmen, die Vorbereitung und Abwicklung einer Schenkung fair und transparent erfolgen sollte. Am sichersten ist die rechtzeitige Einrichtung einer unabhängigen anwaltlichen Beratung und Vertretung für die übertragende Person, um eine bestmögliche Dokumentation der Aufklärung über die Rechtsfolgen zu erreichen.