Archiv der Kategorie: Unternehmensrecht

Steuerfalle bei Freiberuflern: Selbständig arbeitendes nicht überwachtes Personal

In Praxen von Ärzten und Zahnärzten, in Steuerberater- und Anwaltskanzleien, aber auch bei Unternehmensberatern sowie kreativen Berufen gehört es zum gewöhnlichen Bild, dass die Partner sich geschulten Personals bedienen, um bestimmte Aufgaben im Arbeitsablauf erledigen zu lassen. Bekanntlich schulden die Freiberufler grundsätzlich keine Gewerbesteuer, da sie keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, sondern Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit gemäß § 18 EStG erzielen. Dies kann aber anders aussehen, wenn das helfende Personal so weitreichend eigenständig arbeitet, dass der Freiberufler nicht mehr die Tätigkeit überwacht bzw. ihr „seinen eigenen Stempel aufdrückt“. Dann erfolgt eine Umqualifizierung in Einkünfte aus Gewerbebetrieb, was insbesondere Gewerbesteuerpflicht auslöst. Im einzelnen äußert sich hierzu der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 03.11.2016 , Az. VIII R 62/13, BStBl II 2016, 381. Die Richter betonen in dieser Entscheidung, dass gemäß Gesetzeswortlaut der Freiberufler auch bei Mithilfe von Personal leitend und eigenverantwortlich tätig sein muss. Im zu beurteilenden Fall wurde eine Ärztin mit einem Praxisanteil von Null in eine Ärztegemeinschaft aufgenommen. Die Ärztin hatte zwar eine Option auf eine Beteiligung von einem Drittel, übte sie aber nicht aus. Ihr Gewinnanteil betrug allein 37 Prozent der von ihr erwirschafteten Honorare. Ein Abfindungsanspruch bei Ausscheiden bestand nicht. Auf dieser Basis behandelte die Ärztin eigenständig Patienten der Praxisgemeinschaft. Der BFH bestätigte die Auffassung der Finanzverwaltung, dass die Ärztin nicht Teilhaberin der Gemeinschaft ist und aufgrund der eigenständigen Tätigkeit der Berufsträgerin die Praxisgemeinschaft gewerbliche Einkünfte erzielt, daher gewerbesteuerpflichtig ist.
Hinweise und Tipps: Der Nachteil der Gewerbesteuerpflicht wirkt sich bei Praxisgemeinschaften besonders nachteilhaft aus, da schon die eigenverantwortliche Tätigkeit in einem bestimmten Fachgebiet oder Teilbereich ohne Überwachung und Leitung eines beteiligten Partners sämtliche Einkünfte der Praxisgemeinschaft „infiziert“ (Abfärbetheorie nach § 15 Absatz 3 Nr. 1 EStG). Andererseits muss aber bei einer kontrollierten Mithilfe darauf geachtet werden, dass die Weisungsbefugnis nicht überstrapaziert wird, sonst ist eine nichtselbstständige Tätigkeit mit Haftung des Arbeitgebers hinsichtlich Lohnsteuern und Sozialversicherungen anzunehmen.
Entscheidet sich jedenfalls der Freiberufler für die Unterstützung durch einen Selbstständigen (z.B. Subunternehmer), so muss er die Arbeitsabläufe so organisieren, dass für jede übernommene Tätigkeit der helfenden Person daneben die leitende und aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenständige Tätigkeit des Freiberuflers dokumentiert ist. Dies kann bei Ärzten z.B. durch das  Aufnahmegespräch oder wichtige Behandlungsentscheidungen geschehen. Bei rechts- und steuerberatender Tätikeit wäre eine Dokumentation durch Zeichnung der Schriftsätze möglich. Ebenso wichtig ist es, auch für Zeiten der Abwesenheit des Freiberuflers (Urlaub, Krankheit) die Kontrolle durch Vertretung zu organisieren und alle Nachweise für den Fall der Außenprüfung aufzubewahren.

Rentenversicherungspflicht von Geschäftsführern und Gesellschaftern einer Familiengesellschaft

Auf den ersten Blick scheint der Geschäftsführer einer Familiengesellschaft sein Amt wie ein Selbstständiger auszuüben, wenn die übrigen Gesellschafter Familienangehörige sind und ein störungsfreies Vertrauensverhältnis dazu besteht, dass er seine Tätigkeit im besten Sinne ausübt. Aber gilt er wirklich als Selbstständiger im sozialversicherungsrechtlichen Sinne? Und warum ist diese Frage wichtig? Ganz einfach deswegen, weil der Geschäftsführer Beiträge zur Sozialversicherung leisten muss, wenn er nicht selbstständig tätig ist. Leistet er keine Beiträge und seine Versicherungspflicht wird bei der sozialversicherungsrechtlichen Prüfung festgestellt, so sind die Beiträge rückwirkend nachzuentrichten. Es kann sich bei einem langen Zeitraum der Nichtversicherung um hohe Summen handeln. Umso lohnender ist ein genauer Blick auf die Beurteilung des Selbstständigkeit, ggf, Anpassung der Beschäftigungsbedingungen zur Vermeidung der Sozialversicherungspflicht. Das Bundessozialgericht (BSG) vertritt die Auffassung, dass es schon auf die Beurteilung der „abstrakten Rechtsmacht“ des Geschäftsführers ankommt (Urteil vom 29.08.2012, Aktenzeichen B 12 R 14/10 R). Der Umstand, dass es in der Familiengesellschaft aufgrund des Vertrauens der Gesellschafter nicht zu Konflikten kommt, spielt also keine Rolle. Ebenso wenig kommt es auf den Arbeitsvertrag an. Entscheidend ist die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit völlig unabhängig von (denkbaren)Weisungen anderer.

Wie verhält es sich mit der Sozialversicherungspflicht eines mitarbeitenden Gesellschafters in einer Familiengesellschaft? Das BSG äußert sich im Urteil vom 11.11.2015, Aktenzeichen B 12 KR 13/14 R, dazu: Allein umfassende Entscheidungsbefugnisse eines Gesellschafters führen nicht zur Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Ein Unternehmerrisiko des Gesellschafters ist aus dem Eingehen hoher Darlehensverbindlichkeiten für die Gesellschaft nicht anzunehmen. Auch wenn die Gesellschaftermehrheit sogar das Stimmrecht auf den Gesellschafter übertragen hat, bedeutet dies nicht, dass er selbstständig tätig ist. Denn das Stimmrecht eines Gesellschafters bleibt – insbesondere im Konfliktfall – mangels Übertragung des Geschäftsanteils unangetastet, auch wenn er in „Friedenszeiten“ sich an die schuldrechtliche Verpflichtung, seine Stimme nicht abzugeben, hält. Letztlich ist daher für die Frage der Versicherungspflicht maßgebend, ob die Person ihre Tätigkeit völlig unabhängig von der Struktur des Unternehmens ausüben kann, insbesondere auch nach Gesellschaftsvertrag und Stimmenanteil die Mehrheit hat, die Entscheidungen durchzusetzen, auch wenn ein Konfliktfall aufgrund der Bindung aller Gesellschafter und der gleichen Interessen unwahrscheinlich erscheint und bisher auch nicht vorgekommen ist.