Aktuelle Informationen zu Steuern und Recht für Privatleute und Unternehmer

Hier lesen Sie brandaktuelle Entscheidungen und Informationen zu Steuern und Recht (Stand 15.05.2012). Kontaktieren Sie mich, wenn Sie zu einem bestimmten Thema Rechtsrat benötigen.

Die Übersicht:

Privatbereich
1. Wie ist eine gemischte Schenkung zu besteuern?
2. Zurechnung von GmbH-Anteilen mit Nießbrauchsbelastung
3. Zahlung auf ein gemeinsames Oderkonto ist eine freigebige Zuwendung
4. Einheitlicher Vertrag bei Grundstückskauf und Bau einer Doppelhaushälfte
5. Kein doppelter Urlaubsanspruch trotz Doppel-Arbeitsverhältnis bei unwirksamer Kündigung
6. Mehrere Windkraftanlagen auf Grundstücken sind keine wirtschaftliche Einheit
7. Mündliche Ratenzahlungsvereinbarung kann Verjährung unterbrechen
8. Unklarer Steuerbescheid muss nicht unbedingt berichtigt werden
9. Vereinssportler und Sozialversicherungspflicht
10. Werbeeinnahmen von Fußballspielern sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb
11. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Spanien: Anrechnungsmethode bei Einkünften?
Unternehmer und Freiberufler
1. Keine verdeckte Gewinnausschüttung bei Weiterleitung erstatteter Arbeitgeber-Beiträge
2. Steuerneutrale Einbringung bei vorheriger Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen
3. Elektronische Abgabe von Steuererklärungen
4. Neue Regeln zum Vorsteuerabzug erst ab 2013?
5. Umsatzsteuer für ärztliche Leistungen
6. Bauleistungen, Umkehr der Steuerschuldnerschaft und Umsatzsteuer
7. Piraten, Kreuzfahrten und Umsatzsteuer
8. Umsatzsteuerheft neu aufgelegt
9. GbR als Komplementärin einer KG zulässig
10. Abberufener Abwickler einer AG kann besondere Hinweispflichten haben
11. Außerordentliche Kündigung bei „Stalking“?
12. Eigenkapitalersatzrecht bei Darlehensvergabe
13. Keine steuerneutrale Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter bei Realteilung
14. Keine Fünftel-Methode bei ausländischen Veräußerungsverlusten
15. Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung
16. Neues zu „Whistleblowing“
17. Kündigung bei Verweigerung von Zusammenarbeit
18. Muss Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unaufgefordert übersetzen?
19. Zur Ablehnung sprechbehinderter Bewerber
20. Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Konzessionsabgaben
21. Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung
22. Arbeitgeber muss Betriebsrat bei fristloser Verdachtskündigung anhören
23. Testamentsvollstrecker-Vermerk im Handelsregister einer KG zulässig?
GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer
1. Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben
2. Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer

Privatbereich

1. Wie ist eine gemischte Schenkung zu besteuern?
Rechtslage
Sogenannte gemischte Schenkungen, also ein Rechtsgeschäft, bei dem die ausgetauschten Leistungen in ihrem Wert voneinander abweichen, führen bei Überschreitung entsprechender Freibeträge zu schenkungsteuerpflichtigen Vorgängen. Das Rechtsgeschäft wird in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt, wobei für den unentgeltlichen Teil eine freigiebige Zuwendung unterstellt wird. Das Finanzgericht Düsseldorf hatte in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung über das Vorliegen einer gemischten Schenkung bei Rechtsgeschäften unter Gesellschaften und ihren Gesellschaftern zu entscheiden.
Sachverhalt
Der Kläger war Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die wiederum Alleingesellschafterin einer Aktiengesellschaft (AG) war. Die AG hatte der GmbH ein Darlehen gewährt, auf dessen Rückzahlung sie aus Insolvenzvermeidungsgründen gegen einen Besserungsschein verzichtete. Diesen Besserungsschein verkaufte die AG an den Kläger für den symbolischen Preis von 1,00 EUR. Als der Besserungsfall tatsächlich eintrat, erhielt der Kläger von der GmbH Zahlungen von rd. 2,0 Mio. EUR auf den Besserungsschein, die das Finanzamt als Gegenstand einer gemischten Schenkung wertete und Schenkungsteuer festsetzte. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Das Finanzgericht gab dem Finanzamt Recht. Für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals der freigiebigen Zuwendung reiche es bei einer gemischten Schenkung aus, wenn gemessen am Verkehrswert einer höherwertigen Leistung (= Besserungsschein) eine Gegenleistung (= 1,00 EUR) gegenüberstehe. Die höherwertige Leistung müsse dabei neben Elementen der Freigiebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrages enthalten, ohne dass sich die höherwertige Leistung teilen lasse. Die Schenkung sei im konkreten Fall nicht mit Verkauf des Besserungsschein, sondern mit Eintritt des Besserungsfalls erfolgt. Daher sei die höherwertige Leistung mit den an den Kläger gezahlten Beträgen zu bewerten. Hinzu komme, dass der Besserungsschein nicht aus gesellschaftsrechtlicher Veranlassung, sondern aufgrund schuldrechtlichen Kaufvertrages übertragen worden sei.
Konsequenz
Aus der Entscheidung ergibt sich, dass bei Besserungsscheinen der Eintritt des Besserungsfalls und die dann ausgezahlten Leistungen Gegenstand einer Schenkung werden. Dies birgt erhebliche Gefahren, wenn der Besserungsschein zu einem symbolischen Preis übertragen wird.

2. Zurechnung von GmbH-Anteilen mit Nießbrauchsbelastung
Kernaussage
Viele Verträge haben heute die Vorwegnahme der Erbfolge zum Inhalt. Oft handelt es sich um Schenkungen, mit denen der Veräußerer erhebliche Vermögenswerte auf den Erwerber überträgt. Hierbei behält sich der Veräußerer regelmäßig Rechte vor, die meist seiner finanziellen Versorgung dienen. Häufig ist etwa der Vorbehalt eines Nießbrauchs, z. B. an einem GmbH-Geschäftsanteil. Dem ehemaligen Eigentümer gebühren dann als Nießbraucher die Nutzungen, insbesondere hat er Anspruch auf den Gewinnanteil, während der Erwerber die Verfügungsgewalt erhält. Hierzu entschied der Bundesfinanzhof (BFH) kürzlich, dass solche unter Nießbrauchsvorbehalt übertragenen GmbH-Anteile weiterhin dem ehemaligen Eigentümer (Nießbraucher) zuzurechnen sind, wenn er die Vermögens- und Verwaltungsrechte ausüben und durchsetzen kann.
Sachverhalt
Der Vater war zu 90 % Gesellschafter einer GmbH und schenkte seinem Sohn einen 30 %-Anteil. Der Sohn erwarb daraufhin noch 3,29 % von einem Dritten hinzu und bekam Jahre später von seinem Vater nochmals 65,83 % geschenkt. Der Vater behielt sich hierbei den lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauch vor; ihm sollten als Nießbraucher die Gewinnanteile zustehen. Sein Sohn hielt die Mitgliedschaftsrechte, bevollmächtigte seinen Vater aber unwiderruflich zur Stimmrechtsausübung und räumte seiner Mutter für den Todesfall des Vaters das Recht auf Erhalt eines monatlichen Geldbetrags ein. Der Sohn war schließlich zu 99,17 % beteiligt, der Vater nur noch zu 0,83 %. Nachdem beide ihre Anteile verkauft hatten, verzichtete der Vater gegen eine Ablösesumme von 1,7 Mio. EUR auf seine Nießbrauchsrechte. Streitig war sodann zwischen dem Sohn und dem Finanzamt, ob bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns der an den Vater gezahlte Ablösebetrag als nachträgliche Anschaffungskosten abzusetzen war.
Entscheidung

Das Finanzgericht bejahte dies, der BFH hob das Urteil auf. Das Finanzgericht hätte nicht ohne Weiteres schon bei der Schenkung von einem unentgeltlichen Erwerb der Anteile durch den Sohn ausgehen dürfen, ohne zu prüfen, ob ihm diese überhaupt als wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen waren. Wirtschaftlicher Eigentümer eines GmbH-Anteils ist derjenige, der eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Ferner müssen die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (Gewinnbezugs- und Stimmrechte) sowie Wertminderungschancen und -risiken auf ihn übergegangen sein. Weil der vorbehaltene Nießbrauch dem Vater eine Position vermittelte, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der GmbH gab, war ihm der Anteil steuerlich als wirtschaftlicher Eigentümer zuzurechnen. Erst mit dem Verzicht auf den Nießbrauch hat der Vater die Anteile entgeltlich gegen Zahlung der Ablösesumme an seinen Sohn übertragen. Die Anteilsschenkung des Vaters an den Sohn konnte damit den Gewinn nicht um die Anschaffungskosten des Vaters als Rechtsvorgänger mindern.
Konsequenz
Die Anteile wurden erst mit dem Verkauf durch Vater und Sohn auf einen Dritten gegen Zahlung der Ablösesumme an den Vater übertragen. Damit war die Regelung über den Abzug der Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers (hier des Vaters) nicht anwendbar; die Anschaffungskosten waren mit dem Ablösebetrag anzusetzen.

3. Zahlung auf ein gemeinsames Oderkonto ist eine freigebige Zuwendung
Kernfrage
Eine freiwillige Vermögenszuwendung, durch die ein anderer bereichert wird, ist eine Schenkung und unterliegt der Schenkungsteuer. Dabei gilt, dass auch Ehegatten rechtlich – außer im Güterstand der Gütergemeinschaft – 2 selbstständige Vermögensmassen bilden, die keine rechtliche Einheit darstellen. Das heißt, Vermögensabflüsse aus dem Vermögen des einen Ehegatten in das des anderen können Schenkungen sein. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob es für eine Schenkung ausreicht, wenn Vermögen eines Ehegatten auf ein gemeinsames Konto fließt.
Sachverhalt
Die Eheleute hatten ein gemeinsames Oder-Konto, an dem sie also zu gleichen Teilen berechtigt waren und auf das der Ehemann erhebliche Geldbeträge z. B. aus einem Unternehmensverkauf einzahlte. Diese Einzahlungen wertete das Finanzamt als Schenkungen und setzte gegen die Ehefrau Schenkungsteuer fest. Hiergegen wandten die Eheleute ein, es habe im Innenverhältnis eine Abrede bestanden, nach der alleine der Ehemann an dem Konto berechtigt sein sollte. Die Eheleute konnten diese Abrede indes nicht nachweisen, so dass sie in der ersten Instanz unterlagen, weil das Finanzgericht sie als beweispflichtig ansah. Der BFH hob diese Entscheidung jetzt auf und verlangte eine erneute Verhandlung.
Entscheidung
die Richter waren der Auffassung, dass die Eheleute nicht die Feststellungslast dafür trügen, dass eine vom gesetzlichen Leitbild des Oder-Kontos abweichende Vereinbarung im Innenverhältnis bestanden habe. Für die Bejahung einer Schenkung sei zu klären, ob der Konto-Mitinhaber berechtigt gewesen sei, über seinen Teil des Kontos auch im Hinblick auf die vom anderen eingezahlten Beträge frei zu verfügen. Insoweit habe das Finanzgericht erneut zu klären, ob im Innenverhältnis nicht doch eine Vereinbarung dergestalt bestanden haben könnte, dass der Ehemann alleine berechtigt gewesen sein sollte. Eine solche Vereinbarung könne sich auch aus tatsächlichen Umständen ergeben. Beispielsweise spreche es gegen das Vorliegen einer solchen Vereinbarung, wenn die Ehefrau regelmäßig für eigene Zwecke auf das Konto zugreifen konnte. Am Ende falle die Feststellungslast, ob eine Schenkung vorgelegen habe, dem Finanzamt zu.
Konsequenz
Die Entscheidung des BFH hilft dem Steuerpflichtigen allerdings alleine im Bereich der Beweislast. Denn die Richter ließen keine Zweifel daran, dass Zahlungen auf ein Oder-Konto grundsätzlich Schenkungen sein können. Sicherheitshalber wird man daher zur Vermeidung solcher Schenkungen, wenn Zahlungen auf das Oder-Konto geleistet werden sollen, eine Innenvereinbarung schriftlich treffen müssen, die die Berechtigung des anderen Konto-Mitinhabers begrenzt.

4. Einheitlicher Vertrag bei Grundstückskauf und Bau einer Doppelhaushälfte
Kernaussage
Wer ein Grundstück mit Haus kauft, zahlt für die gesamten Anschaffungskosten Grunderwerbssteuer. Etwas anderes gilt allerdings, wenn der Käufer nicht weiß, dass er Grundstück und Haus aus einer Hand kauft. Dann fällt Grunderwerbsteuer zwar für das Grundstück, nicht aber für die Bauerrichtungskosten an. Ist ein Zusammenwirken auf der Veräußererseite für den Erwerber indes objektiv erkennbar, ist von einem einheitlichen Vertragswerk auszugehen.
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Kosten für die Errichtung einer Doppelhaushälfte in die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist. Der Kläger erwarb im März 2005 ein Grundstück von der Bank. Der Vertrag wurde von der verbundenen Immobilien-GmbH vermittelt. Knapp 2 Wochen später, Anfang April 2005, schloss der Kläger mit einem Bauträger einen Werkvertrag über die Errichtung einer Doppelhaushälfte ab. Das Finanzamt ermittelte, dass die Immobilien-GmbH von dem Bauträger für die Vermittlung des Klägers eine Provision erhielt. Infolgedessen behandelte das Finanzamt den Grundstückskaufvertrag und den Werkvertrag als einheitliches Vertragswerk und unterwarf auch die Bauerrichtungskosten der Grunderwerbsteuer.
Entscheidung
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der Klage gegen die Entscheidung des Finanzamts statt, ließ aber die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zu. Die Bauerrichtungskosten sind nicht der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, denn der Grundstückskaufvertrag und der Werkvertrag bilden kein einheitliches Vertragswerk. Zwar haben der Bauträger und die Immobilien-GmbH durch ihr abgestimmtes Verhalten auf den Abschluss beider Verträge hingewirkt. Dennoch fehlt es für ein einheitliches Vertragswerk daran, dass das Zusammenwirken auf Veräußererseite für den Erwerber auch objektiv erkennbar ist. Nach der Rechtsprechung bedarf es bei intensivem Zusammenwirken auf Veräußererseite nur geringer Anzeichen für die objektive Erkennbarkeit. Der enge zeitliche Rahmen zwischen den beiden Vertragsschlüssen ist aber kein ausreichendes Indiz für die Kenntnis des Klägers von den Beziehungen auf Veräußererseite.
Konsequenz
Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob der BFH das Merkmal der „objektiven Erkennbarkeit“ in gleicher Weise wie das FG Düsseldorf versteht und dementsprechend die Entscheidung bestätigt.

5. Kein doppelter Urlaubsanspruch trotz Doppel-Arbeitsverhältnis bei unwirksamer Kündigung
Kernfrage
Urlaubsansprüche entstehen kalenderjahrabhängig und werden dem Grunde nach nicht durch einen Arbeitgeberwechsel im Kalenderjahr beeinflusst. Mit anderen Worten, Urlaubsansprüche entstehen in solchen Fällen nicht bei jedem Arbeitgeber neu, sondern beim ersten Arbeitgeber nicht genommene Urlaubsansprüche werden auf den zweiten Arbeitgeber übertragen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu befinden, ob Urlaubsansprüche in einer Situation nach Kündigung, während einer Kündigungsschutzklage, aber bei Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses, doppelt entstehen können.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte einen Anspruch auf 29 Urlaubstage bei ihrem alten Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis kündigte. Die Klägerin erhob Kündigungsschutzklage, bei der erst im Folgejahr festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis zum Kündigungstermin nicht hätte beendet werden dürfen. Zwischenzeitlich hatte die Klägerin eine neue Stelle angetreten und dort 21 Urlaubstage erhalten. Nachdem festgestellt war, dass das erste Arbeitsverhältnis unzulässig beendet wurde, nahm sie ihren alten Arbeitgeber auf Abgeltung der 29 Urlaubstage im Folgejahr in Anspruch.
Entscheidung
Das BAG sprach der Klägerin einen Urlaubsanspruch gegen den alten Arbeitgeber lediglich in Höhe von 8 Tagen zu. Die 21 Urlaubstage, die ihr der neue Arbeitgeber gewährt hatte, seien auf die 29 Urlaubstage, die sie im alten Arbeitsverhältnis gehabt habe, anzurechnen, wenn das alte Arbeitsverhältnis zum zulässigen Kündigungstermin beendet worden wäre. Die Grundsätze über die Übertragung von Urlaubsansprüchen seien nicht anwendbar, weil ein Doppelarbeitsverhältnis vorgelegen habe. Dies bedeute aber nicht, dass der Arbeitnehmer die Urlaubsansprüche aus beiden Arbeitsverhältnissen beanspruchen könne. Vielmehr führe das Obsiegen im Kündigungsschutzprozess lediglich dazu, dass der alte Arbeitgeber verpflichtet sei, die Klägerin so zu stellen, als sei das alte Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß beendet worden. Im Bereich des Urlaubs sei es insoweit gerechtfertigt, genommenen Erholungsurlaub anzurechnen.
Konsequenz
Auch bei langwierigen Kündigungsschutzprozessen erwirbt der Arbeitnehmer, wenn er in ein neues Arbeitsverhältnis wechselt, keine Doppelansprüche. Im Bereich der Vergütung muss er sich den anderweitigen Verdienst anrechnen lassen. Im Bereich des Urlaubs schließt die Entscheidung des BAG die Lücke nunmehr entsprechend.

6. Mehrere Windkraftanlagen auf Grundstücken sind keine wirtschaftliche Einheit
Kernfrage
Bewertungsrechtliche Feststellungen sind insbesondere im Bereich der Land- und Frostwirtschaft Grundlage für eine Vielzahl von Steuerfestsetzungen (z. B. Erbschaftsteuer) und/oder Ausgleichsansprüche (z. B. Höfeordnung). Während die Bewertung landwirtschaftlich genutzter Flächen in der Regel zu niedrigen Werten erfolgt, erhöhen sich diese Werte signifikant, wenn sich die Nutzung ändert. Dies ist jüngst insbesondere dann der Fall, wenn landwirtschaftliche Flächen mit Windanlagen bebaut werden, was zu einer (teilweisen) gewerblichen Nutzung führt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun über die bewertungsrechtlichen Fragen einer Nutzung durch Windanlagen zu entscheiden.
Sachverhalt
Der Kläger hatte aus einer großen landwirtschaftlichen Fläche auf der Grundlage eines Nutzungsvertrages mit einem Windparkbetreiber Einzelgrundstücke zu einem Gesamtgrundstück verbunden. Dieses hatte er dem Windparkbetreiber zur Bebauung mit insgesamt 10 Windanlagen als Wegflächen zur Verfügung gestellt. Die Flächen um den Windpark sowie die nicht bebauten Flächen des Windparks selbst nutzte der Landwirt weiterhin für seinen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Finanzamt sah sämtliche Einzelgrundstücke des Windparks als eine wirtschaftliche Einheit an und erließ für die einzelnen Grundstücke des Windparks einen einheitlichen Einheitswertbescheid, der wegen der wirtschaftlichen Einheit eine hohe Bewertung vorsah. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage obsiegte der Kläger.
Entscheidung
Für sämtliche Grundstücke des Windparks sind selbstständige Einheitswertbescheide zu erlassen, so der BFH. Eine wirtschaftliche Einheit besteht nicht. Diese ergebe sich weder aus der katasterlichen Zusammenfassung der Windparkgrundstücke noch aus dem einheitlichen Nutzungsvertrag. Maßgeblich seien die tatsächlichen Verhältnisse, nach denen die einzelnen Windparkgrundstücke nicht unmittelbar aneinander angrenzten, sondern über Wege, die vornehmlich aber landwirtschaftlich genutzt würden, verbunden werden müssten. Hinzu komme, dass die gesamten unbebauten Flächen weiterhin landwirtschaftlich genutzt würden. Ein einheitlicher Nutzungsvertrag könne auch über mehrere wirtschaftlichen Einheiten geschlossen werden. Darüber hinaus verhielte es sich auch technisch so, dass die Windkraftanlagen für sich genommen jeweils selbstständige Anlagen darstellten.
Konsequenz
Die Entscheidung ist bewertungsrechtlich zu begrüßen. Windparkgrundstücke bleiben selbstständige Einheiten, so dass die sich aus der Feststellung einer wirtschaftlichen Einheit ergebende Höherbewertung nicht zum Tragen kommt. Dies ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass die Nutzung landwirtschaftlicher Flächen zu einem Wechsel von landwirtschaftlicher in gewerbliche Nutzung führt.

7. Mündliche Ratenzahlungsvereinbarung kann Verjährung unterbrechen
Kernfrage
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hat sich kürzlich zu der abgabenrechtlichen Frage geäußert, ob ein die Steuerzahlungsverjährung unterbrechender Vollstreckungsaufschub (z. B. Ratenzahlung) nur dann angenommen werden kann, wenn er schriftlich erteilt wurde.
Sachverhalt
Die Klägerin hatte Steuerrückstände in Höhe von rd. 35.000 EUR; die Steuerforderungen waren in den Jahren 1995 bis 1999 fällig geworden. Zur Erörterung, wie die ausstehenden Rückstände getilgt werden könnten, sprach die Klägerin im Mai 2001 beim Finanzamt vor. Ihr wurde mitgeteilt, sie dürfe weiterhin per Dauerauftrag monatlich 300 EUR an das Finanzamt überweisen. In der Folgezeit leistete die Klägerin die auferlegten Ratenzahlungen regelmäßig. 2007 teilte sie dem Finanzamt jedoch mit, Ihrer Ansicht nach sei zum 31.12. Zahlungsverjährung eingetreten. Der im mündlichen Gespräch vom Mai 2001 zugesagte „Vollstreckungsaufschub“ könne nicht als verjährungsunterbrechende Handlung angesehen werden, da es sich hierbei nur um eine innerdienstliche Maßnahme ohne Außenwirkung gehandelt habe. Das Finanzamt rief daraufhin das Finanzgericht an und verlor.
Entscheidung
Das Gericht stellte fest, die Zahlungsverjährung eines Steueranspruchs werde „durch Vollstreckungsaufschub“ unterbrochen. Die Verjährungsunterbrechung dauere fort, bis der Vollstreckungsaufschub abgelaufen sei. Die Ansicht der Klägerin, hinsichtlich der Besprechung aus Mai 2001 liege eine verjährungsunterbrechende Handlung nicht vor, weil die Zusage nicht schriftlich erteilt worden sei, war demnach nicht korrekt. Weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung lässt sich nämlich ein solches Schriftformerfordernis entnehmen. Allerdings muss eine Handlung oder Maßnahme, um die Unterbrechung der Zahlungsverjährung herbeiführen zu können, den inneren Dienstbereich überschreiten. An der mündlichen Mitteilung des Vollstreckungsaufschubs durch das Finanzamt bestanden jedoch keine Zweifel. Im Übrigen ist ein Verwaltungsakt nur dann schriftlich, bzw. durch „Bescheid“ zu erlassen, wenn dies – wie z. B. für einen Haftungs- bzw. Duldungsbescheid – gesetzlich vorgeschrieben ist. Für die Verjährungsunterbrechung bedarf es aber keines „schriftlichen“ Vollstreckungsaufschubes.
Konsequenz
Auch eine lediglich mündlich getroffene Vereinbarung über eine Ratenzahlung ist als verjährungsunterbrechende Handlung zu werten, mit der Folge, dass Steueransprüche nicht verjähren. Selbst wenn mit einer kurzfristigen Tilgung der Steuerschuld nicht gerechnet werden kann, macht dies den Vollstreckungsaufschub nicht nichtig. Entscheidend ist, dass der Schuldner erkennen kann, dass das Finanzamt den Steueranspruch weiterhin durchsetzen will.

8. Unklarer Steuerbescheid muss nicht unbedingt berichtigt werden
Kernaussage
Ist ein Steuerbescheid unklar, kann diese Unklarheit aber durch Auslegung beseitigt werden, muss eine Berichtigung des Bescheids nicht vorgenommen werden.
Sachverhalt
Die Kläger erzielten in einem Jahr einen Verlust von rd. 400.000 DM, der durch die Finanzverwaltung bestandskräftig festgesetzt wurde. Allerdings unterlief der Finanzverwaltung bei Erlass des Bescheids ein Fehler. Dem Betrag von rd. 400.000 DM wurde im Tenor des Bescheids statt der Währung DM der Währungszusatz EUR beigefügt. In der Bescheidbegründung wurde demgegenüber stets das Währungszeichen DM verwandt. Dieser Verlustfeststellungsbescheid konnte wegen Zeitablaufs nicht mehr geändert werden. Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags für ein späteres Jahr verlangten die Kläger einen Übertrag der festgesetzten 400.000 EUR. Das Finanzamt wies das Begehren zurück.
Entscheidung
Das Finanzgericht Hamburg folgte der Finanzverwaltung. Zu Recht habe das Finanzamt nur einen vorgetragenen Verlust von rd. 400.000 DM in den neuen Bescheid übernommen. Soweit im Tenor des Bescheids das Währungszeichen EUR Verwendung gefunden habe, handele es sich um einen offensichtlichen Fehler. Im Wege der Auslegung sei der Inhalt des Bescheids daher so auszulegen, dass schon im Erstbescheid nur ein Verlustvortrag von 400.000 DM festgesetzt worden sei. Dies lasse sich insbesondere anhand der dem Tenor beigegebenen Begründung entnehmen. Dort fand sich durchgängig das Währungszeichen DM. Da der richtigerweise festgesetzte Verlustvortrag sich durch Auslegung ermitteln lasse, sei es zudem nicht nötig, den Erstbescheid zu ändern. Insofern sei es unbeachtlich, dass durch Eintritt der Festsetzungsverjährung eine dauerhafte Änderungssperre eingetreten sei. Vielmehr könne das durch Auslegung ermittelte Ergebnis als vorgetragener Verlust in den neuen Bescheid übernommen werden. Die Frist zur Beseitigung offenbarer Unrichtigkeit habe nur dann Bedeutung, wenn sich das richtige Ergebnis nicht dem Bescheid entnehmen lasse.
Konsequenz
Zur Auslegung kann nicht nur der Tenor eines Bescheids herangezogen werden. Vielmehr müssen auch die Begründung sowie die Anlagen bei der Ermittlung des richtigen Inhalts berücksichtigt werden. Kann durch eine derartige Auslegung der Fehler im Tenor beseitigt werden, schützt den Steuerpflichtigen die Festsetzungsverjährung nicht. Es wird künftig mehr darauf zu achten sein, ob sich nicht auch in die Begründung und die Anlagen Fehler eingeschlichen haben. Diese könnten nach Ablauf der Festsetzungsverjährung auch zu Lasten des Steuerpflichtigen den Schluss zulassen, dass der Bescheid einen anderen Inhalt haben sollte.

9. Vereinssportler und Sozialversicherungspflicht
Kernproblem
Erhalten Amateursportler von ihrem Verein Zuwendungen, kann die Grenze zum Beschäftigungsverhältnis im Sinne der Sozialversicherung überschritten werden. Selbiges gilt im Rahmen der Unfallversicherung. Dies kann für Vereine teuer werden.
Sachverhalt
Erhalten Amateursportler zur sportlichen Motivation oder zur Vereinsbindung eine Vergütung, sind sie allein aufgrund ihrer mitgliedschaftsrechtlichen Bindungen tätig und erfüllen nur ihre daraus resultierenden Vereinspflichten. Sie stehen dann in keinem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis. Schwierig wird es aber, wenn es zu einer wirtschaftlichen Gegenleistung durch den Verein kommt.
Entscheidung
Die Spitzenverbände der Sozialversicherung haben eine Entgeltgrenze festgelegt, um das Verfahren praktikabel zu gestalten. Zahlungen bis zu 175 EUR im Monat (2.100 EUR jährlich) führen grundsätzlich zu keinem sozialversicherungsrechtlich relevanten Beschäftigungsverhältnis. Selbige Grenze gilt für die gesetzliche Unfallversicherung. Geringere Zahlungen als 175 EUR im Monat sieht die VBG, die Unfallversicherung für Sportler, regelmäßig nicht als Entgelt an.
Konsequenz
Die einheitliche Beurteilung zu allen Sozialversicherungszweigen ist zu begrüßen. Den Vereinen ist zu empfehlen, entsprechende Nachweise zum tatsächlichen Zweck, der mit der Zahlung erreicht werden soll, aufzubewahren. Der Sport darf nicht über den Selbstzweck hinaus ausgeübt werden, um Einkünfte zu erzielen.

10. Werbeeinnahmen von Fußballspielern sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb
Rechtslage
Profifußballer sind Arbeitnehmer ihres Vereins. Zum Bestandteil des Arbeitsvertrages gehört dabei auch die Vermarktung der Persönlichkeitsrechte des Spielers. Ist dieser Nationalspieler, kommt hinzu, dass der Spieler an den Verband „ausgeliehen“ wird. Auch dort werden Persönlichkeitsrechte vermarktet. Der Bundesfinanzhof (BFH) hatte nun darüber zu entscheiden, ob die Einnahmen, die der Spieler aus seiner Vermarktung beim Verband und der Nationalmannschaft erhält, als Arbeitslohn oder als gewerbliche Einkünfte zu versteuern sind.
Sachverhalt
Der Kläger ist Profifußballer und hatte die Vermarktung seiner Persönlichkeitsrechte durch Arbeitsvertrag seinem Verein übertragen. Daneben bestand eine gesonderte Vereinbarung mit dem Deutschen Fußballbund, bei Spielen der Nationalmannschaft dessen Ausrüsterartikel zu tragen und für Werbeveranstaltungen zur Verfügung zu stehen. Für diese bei der Nationalmannschaft erzielten Werbeeinnahmen erließ das Finanzamt einen Gewerbesteuermessbescheid zur Erhebung von Gewerbesteuer. Mit seiner hiergegen gerichteten Klage unterlag der Kläger zuletzt vor dem BFH.
Entscheidung
Einkünfte aus Werbeleistungen eines Sportlers aufgrund von mit diesem abgeschlossenen Verträgen sind gewerbliche Einkünfte, wohingegen die laufende Vergütung durch den Verein Arbeitslohn darstellt. Dabei ist im Bereich der Vermarktung der Persönlichkeitsrechte zu unterscheiden und für die Bereiche „eigener Verein“ und „Fußballbund“ jeweils selbstständig festzustellen, ob der Sportler im fraglichen Bereich als Unternehmer anzusehen ist. Für den Bereich „Fußballbund“ fällt diese Gesamtwürdigung nach Ansicht der Richter zugunsten einer Selbstständigkeit aus. Denn – anders als im Verein – ist der Sportler nicht weisungsgebunden in die Strukturen des Fußballbundes eingegliedert. Es steht ihm vielmehr frei, die Werbevereinbarung mit dem Fußballbund abzuschließen, auch wenn dann die Nichtberufung droht.
Konsequenz
Das Urteil wird auf alle Bereiche übertragbar sein. Die entscheidende Frage ist, ob die Werbeeinnahmen im Geltungsbereich eines bestehenden Arbeitsvertrages generiert werden bzw. im Geltungsbereich eines Arbeitsvertrages erfolgen. Dann gehört die Werbetätigkeit mit zur arbeitsvertraglichen Pflicht. Ist dies aber gerade nicht der Fall, droht die Gewerblichkeit erzielter Werbeeinnahmen.

11. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Spanien: Anrechnungsmethode bei Einkünften?
Gelten landwirtschaftliche Betriebe als Betriebsstätten im DBA-Sinne
Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) weisen das Besteuerungsrecht für Einkünfte in internationalen Fällen einem der beteiligten Staaten zu. Dabei arbeiten die Abkommen teilweise mit eigenen Begrifflichkeiten, die von den Wertungen des nationalen Rechts abweichen können.
Sachverhalt
Der Kläger, ein gebürtiger Spanier, erzielte in den Streitjahren 1997 – 2000 neben Einkünften in Deutschland auch solche aus einem Plantagenbetrieb in Spanien. Abweichend von seiner Einkommensteuererklärung unterwarf das Finanzamt diese Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der deutschen Steuer. eine Anrechnung der in Spanien gezahlten Steuern erfolgte später. Zu klären war im anschließenden Klageverfahren, ob die spanischen Einkünfte aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsstätteneinkünfte oder als Einkünfte aus Grundvermögen zu werten waren. Nachdem das Finanzgericht diese Frage zugunsten des Klägers entschieden und das Vorliegen einer spanischer Betriebsstätte im Sinne des DBA Spanien unterstellt hatte, kam der Bundesfinanzhof (BFH) zu einem anderen Ergebnis und wies die Klage ab.
Entscheidung
Nach Ansicht des BFH wird die deutsche Besteuerung der Einkünfte aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb in Spanien nicht gehindert. Zwar liegt das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen beim spanischen Staat, weil das Vermögen dort belegen ist. Dennoch ist für Deutschland als Wohnsitzstaat eine Besteuerung generell ebenfalls möglich. Hierbei ist die spanische Steuer auf die deutsche anzurechnen, wenn das Vermögen nicht zu einer in Spanien belegenen Betriebsstätte gehört. die Begriffe „Betriebsstätte“ und „Unternehmen“ sind dabei primär aus dem spanischen DBA zu bestimmen.
Konsequenz
Im DBA Spanien gilt das Prinzip des Vorrangs der spezielleren Einkunftsart. Danach kann ein Unternehmen zwar Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen haben, die dann auch als solche so zu besteuern sind. Allerdings fällt alles, was nach dem DBA Spanien als „Land- und Forstwirtschaft“ zu qualifizieren ist, nicht unter den Begriff des „Unternehmens“ und kann keine „Betriebsstätte“ begründen.

Unternehmer und Freiberufler

1. Keine verdeckte Gewinnausschüttung bei Weiterleitung erstatteter Arbeitgeber-Beiträge
Kernfrage
Die Prüfung der Fremdüblichkeit von Leistungsbeziehungen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern stellt einen Schwerpunkt in vielen Betriebsprüfungen dar. Wendet nämlich eine Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person (Ehegatte, Kinder, etc.) einen Vermögensvorteil zu, den sie einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte, liegt hierin regelmäßig eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA). Prüfungsmaßstab ist dabei stets der ordentlich und gewissenhaft handelnde Geschäftsführer. Seit Jahren umstritten ist dabei die Frage, ob die Weiterleitung von erstatteten Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung an den Gesellschafter eine vGA darstellt.
Sachverhalt
Der klagende Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH beschäftigte seine Ehefrau als kaufmännische Angestellte. Im Rahmen einer Überprüfung seitens des Sozialversicherungsträgers wurde festgestellt, dass die Ehefrau nicht sozialversicherungspflichtig war. Der Sozialversicherungsträger erstattete deshalb im Streitjahr 2006 die bislang entrichteten Beiträge zur Rentenversicherung, wobei der Arbeitgeberanteil der GmbH ausbezahlt wurde. Letztere leitete den Betrag vollständig an die Ehefrau weiter. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die Weiterleitung der Beiträge nicht fremdüblich sei und behandelte die Aufwendungen als vGA. Das Einkommen der GmbH erhöhte sich entsprechend. Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Münster nunmehr vollständig statt.
Entscheidung
Die Weiterleitung von an die Kapitalgesellschaft erstatteten Rentenversicherungsbeiträgen an eine Arbeitnehmerin, die zugleich Ehefrau des Alleingesellschafters ist, stellt nach Auffassung des FG Münster keine vGA an den Gesellschafter dar. Es fehle zum einen an einem Vermögensvorteil bei der Ehefrau, da sie aufgrund der Erstattung nämlich auch Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung verloren habe. Zum anderen habe auch die GmbH keine Vermögenseinbuße erlitten, da sie lediglich erstattete Beiträge weitergeleitet habe. Die Weiterleitung sei auch nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, sondern vielmehr fremdüblich.
Konsequenz
Das FG hat die Revision beim Bundesfinanzhof zugelassen, da die Rechtsfrage bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden ist und zudem auch konträre Entscheidungen seitens der Finanzgerichte bestehen.

2. Steuerneutrale Einbringung bei vorheriger Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen
Kernproblem
Die Einbringung von Betrieben oder Teilbetrieben in eine Personengesellschaft ist nur dann steuerneutral möglich, wenn alle wesentliche Betriebsgrundlagen (i. d. R. Grundstücke, Maschinen, Patente, etc.) mitübertragen werden. Wird auch nur eine wesentliche Betriebsgrundlage zurückbehalten, sind sämtliche, im übergegangen Betriebsvermögen enthaltenen stillen Reserven aufzudecken und zu besteuern. Soll oder darf eine bestimmte wesentliche Betriebsgrundlage – z. B. aufgrund betriebswirtschaftlicher Überlegungen oder zivilrechtlicher Beschränkungen – nicht auf den neuen Rechtsträger übertragen werden, sehen gängige Gestaltungsmodelle im Vorfeld der geplanten Einbringung eine Veräußerung dieses Wirtschaftsguts auf einen Dritten vor. Ob diese Gestaltung anzuerkennen ist, war nunmehr gerichtlich zu klären.
Sachverhalt
Der Kläger beabsichtigte die Einbringung seines als Einzelunternehmen geführten Betriebs in eine GmbH & Co. KG. Kurze Zeit vor der Einbringung veräußerte er das im Einzelunternehmen genutzte Betriebsgrundstück unter Aufdeckung der stillen Reserven an seine Ehefrau zu einem fremdüblichen Preis. Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, dass die Einbringung nicht steuerneutral möglich sei, da nicht alle wesentlichen Betriebsgrundlagen im Zuge des Einbringungsvorgang mitübertragen worden seien. Die hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
Entscheidung
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bei der Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut eine wesentliche Betriebsgrundlage des durch Einzelrechtsnachfolge eingebrachten Betriebs darstellt, auf den Zeitpunkt der tatsächlichen Einbringung abzustellen. Da das Grundstück zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Betriebsvermögen war, sondern vielmehr bereits wirtschaftlich und zivilrechtlich der Ehefrau zuzurechnen war, konnte es folglich keine wesentliche Betriebsgrundlage des eingebrachten Betriebs (mehr) sein. Da die Veräußerung unter Aufdeckung der stillen Reserven erfolgte und auch auf Dauer angelegt war, sieht der BFH weder einen Gestaltungsmissbrauch noch einen schädlichen Gesamtplan.
Konsequenz
Die Entscheidung ist zu begrüßen, bietet sie dem Steuerpflichtigen im Rahmen seiner Steuerplanung doch ein deutliches Mehr an Rechtssicherheit. Ausdrücklich offen gelassen hat der BFH jedoch die Frage, ob ggf. die vorherige steuerneutrale Überführung von wesentlichen Betriebsgrundlagen in ein anderes Betriebsvermögen einen schädlichen Gesamtplan darstellen könnte. Da die Finanzverwaltung dies nach dem neuen Umwandlungssteuererlass in vergleichbaren Fällen stets prüfen will, ist in der Praxis insoweit Vorsicht angebracht.

3. Elektronische Abgabe von Steuererklärungen
Kernaussage
Ab dem Veranlagungszeitraum 2011 müssen die wichtigsten Steuererklärungen, z. B. Einkommen-, Umsatzsteuer etc. elektronisch abgeben werden. Bisher gilt dies bereits für Lohn- und Umsatzsteuervoranmeldungen. Ausnahmen, d. h. eine Abgabe unverändert in Papierform, sind nur in Härtefällen möglich. Diese sind gegeben, wenn die Steuerpflichtigen nicht über die notwendige technische Ausstattung verfügen und diese nur mit erheblichem finanziellen Aufwand zu beschaffen wäre oder wenn der Steuerpflichtige nicht die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten hierzu mit sich bringt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun Stellung bezogen, wann ein Härtefall vorliegt.
Sachverhalt
Die Klägerin war eine GmbH & Co. KG, die Grundstücke an verbundene Unternehmen vermietete. Einziger Kommanditist war eine natürliche Person. Die Komplementär-GmbH hingegen hatte neben eben dieser natürlichen Person noch 3 weitere Geschäftsführer. Der Kommanditist stellte für die Klägerin den Antrag, die Umsatzsteuervoranmeldungen weiter in Papierform einreichen zu dürfen, da er sich technisch und persönlich nicht zur elektronischen Übertragung in der Lage sah. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab. Unter anderem verwies es darauf, dass die Klägerin auch die EDV der verbundenen Unternehmen nutzen könne.
Entscheidung
Der BFH stellt zunächst klar, dass die Regelung zur elektronischen Abgabe von Steuererklärungen verfassungsgemäß ist. Hierauf aufbauend sieht er im vorliegenden Fall keinen Grund für die Anwendung der Härtefallregelung. So ist es der Klägerin angesichts der erzielten Gewinne zuzumuten, die notwendigen technischen Voraussetzungen zu schaffen. Auch wenn dem Kommanditisten persönlich die nötige Medienkompetenz fehle, so reiche es aus, wenn die übrigen Geschäftsführer der Komplementär-GmbH hierüber verfügen.
Konsequenz
Hohes Alter und fehlende Medienkompetenz können den Anspruch auf Abgabe der Steuererklärungen in Papierform begründen. Dieses Kriterium müssen jedoch sämtliche Inhaber bzw. Geschäftsführer des Unternehmens erfüllen. Die fehlende technische Ausstattung allein begründet hingegen nicht diesen Anspruch, sondern nur wenn die wirtschaftlichen Mittel zu den erforderlichen Anschaffungen fehlen. Die unveränderte Abgabe von Steuererklärungen in Papierform dürfte daher nur noch in seltenen Fällen möglich sein. Allerdings verweist der BFH darauf, dass die Finanzämter gefordert sind, die Anträge gründlich zu prüfen und eine Ablehnung ordentlich zu begründen. Pauschale Behauptungen sind nicht zulässig, ebenso nicht der Verweis auf die technische Ausstattung verbundener Unternehmen.

4. Neue Regeln zum Vorsteuerabzug erst ab 2013?
Einführung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hatte mit Schreiben vom 2.1.2012 seine Rechtsauffassung hinsichtlich der Frage, wann Vorsteuerabzug zu gewähren ist, geändert. Das BMF folgte hierbei der jüngsten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Demnach ist für den Vorsteuerabzug der unmittelbar hiermit in Verbindung stehende Ausgangsumsatz maßgebend. Mittelbar verfolgte Zwecke sind zunächst ohne Bedeutung. Nur wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einem Ausgangsumsatz fehlt, ist zu prüfen, ob mittelbar verfolgte Zwecke zum Vorsteuerabzug berechtigen. Folge dieser neuen Prüfungssystematik ist z. B., dass Kosten in Zusammenhang mit der steuerfreien Veräußerung von Beteiligungen keinen Vorsteuerabzug zulassen, auch wenn das Unternehmen im Übrigen nur Umsätze erbringt, die den Vorsteuerabzug zulassen und der Veräußerungserlös im Unternehmen reinvestiert wird.
Neue Verwaltungsanweisung
Bisher hatte das BMF es nicht beanstandet, wenn bis zum 31.3.2012 der Vorsteuerabzug noch nach der bisherigen Verwaltungsauffassung vorgenommen wird. Nunmehr ist diese Frist bis zum 31.12.2012 verlängert worden.
Konsequenzen
Die Neuregelung bietet Vor- und Nachteile. Daher muss jedes Unternehmen abwägen, ob es sich lohnt, in 2012 noch der bisherigen Rechtsauffassung zu folgen. Nachteilig dürfte die Neuregelung tendenziell in Fällen sein, in denen bisher die Umsatzsteuer nach einem allgemeinen Umsatzschlüssel aufgeteilt wurde, d. h. dem Verhältnis der gesamten zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze zum Gesamtumsatz. Diese Aufteilung beruhte in der Praxis häufig auf der Annahme, dass die entsprechende Eingangsleistung mittelbar dem Unternehmen zugute kommt. Der unmittelbare Zusammenhang mit einem Ausgangsumsatz wurde selten geprüft. Häufig wird in solchen Fällen jedoch ein direkter Zusammenhang zu Umsätzen bestehen, die den Vorsteuerabzug nicht zulassen, so dass dieser zukünftig gänzlich ausgeschlossen ist. Vorteilig hat sich der neue Ansatz hingegen z. B. für den Vorsteuerabzug aus Dachsanierungen in Zusammenhang mit der Errichtung von Photovoltaikanlagen ausgewirkt. Hier ermöglichte erst die geänderte Rechtsauffassung den Unternehmen den Vorsteuerabzug. Wer vor der Wahl steht, muss beachten, dass das BMF den Unternehmen kein Wahlrecht bezogen auf einzelne Eingangsleistungen zugesteht, sondern nur im Hinblick auf sämtliche Eingangsleistungen. „Rosinenpickerei“ ist daher nicht möglich. Daneben bestehen noch Sonderregelungen für Kosten, die in Verbindung mit Grundstücke stehen, die ebenfalls zu beachten sind.

5. Umsatzsteuer für ärztliche Leistungen
Rechtslage
Ärzten ist selten bewusst, dass ihre Leistungen durchaus der Umsatzsteuer unterliegen können. Zwar existiert eine Steuerbefreiung für ärztliche Leistungen, diese betrifft aber nur solche Leistungen, die der medizinischen Betreuung von Personen durch das Diagnostizieren und Behandeln von Krankheiten dienen. Leistungen, die diese Kriterien nicht erfüllen, unterliegen dagegen der Umsatzsteuer.
Neue Verwaltungsanweisung
In Ergänzung zum Umsatzsteuer-Anwendungserlass listet die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt a. M. einen Katalog ärztlicher Leistungen auf und erläutert, ob diese umsatzsteuerpflichtig oder von der Umsatzsteuer befreit sind. Hierbei wird insbesondere auf ärztliche Gutachten, Berufsuntauglichkeitsuntersuchungen und ähnliche Leistungen eingegangen, die im Hinblick auf die Umsatzsteuer als kritisch einzustufen sind.
Konsequenz
Ärzte, insbesondere solche, die Gutachten erstellen, sollten die Verfügung zum Anlass nehmen, ihre Leistungen hinsichtlich ihrer Steuerfreiheit zu überprüfen. Werden steuerpflichtige Leistungen erbracht, so besteht nur dann die Verpflichtung zur Abführung von Umsatzsteuer, wenn diese Umsätze die Grenze für Kleinunternehmer (17.500 EUR) überschreiten. Ergibt sich eine Umsatzsteuerpflicht, so verteuert dies regelmäßig die ärztlichen Leistungen, soweit sie gegenüber Privaten erbracht werden. Allerdings können sich im Einzelfall auch Vorteile ergeben, da die Steuerpflicht den Vorsteuerabzug aus bezogenen Leistungen, z. B. für Investitionen, eröffnet. Vorsorglich sollten Ärzte über entsprechende Umsatzsteuerklauseln in den vertraglichen Vereinbarungen mit ihren Auftraggebern sicherstellen, dass sie etwa entstehende Umsatzsteuer abrechnen können. Ansonsten wird diese aus dem Nettohonorar herausgerechnet.

6. Bauleistungen, Umkehr der Steuerschuldnerschaft und Umsatzsteuer
Rechtslage
Bauunternehmer, die von Subunternehmern Bauleistungen empfangen, schulden i. d. R. die Umsatzsteuer aus den an sie erbrachten Leistungen (Umkehr der Steuerschuldnerschaft). Die Subunternehmer müssen in diesen Fällen eine Netto-Rechnung ausstellen und auf die Umkehr der Steuerschuldnerschaft hinweisen.
Neue Verwaltungsanweisung
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen nimmt in einer aktuellen Verfügung diesbezüglich zu wichtigen Aspekten Stellung. Neben grundlegenden Erläuterungen stellt die OFD für ca. 90 Leistungen rund um den Bau, z. T. mit weiteren Differenzierungen, dar, ob und ggf. unter welchen Bedingungen es sich um Bauleistungen handelt. Ferner wird u. a. anhand einer Musterrechnung die korrekte Rechnungsstellung erläutert.
Konsequenz
Allein anhand der aufgelisteten Leistungen wird ersichtlich, dass die Regelung in der Praxis an ihre Grenzen stößt. Die betroffenen Unternehmen sollten sich mit der Verfügung auseinandersetzen. Im Zweifel sollten die Leistungsempfänger von der Umkehr der Steuerschuldnerschaft Gebrauch machen, um Steuernachforderungen zu vermeiden.

7. Piraten, Kreuzfahrten und Umsatzsteuer
Einführung
Die Übergriffe von Piraten auf die Seeschifffahrt vor Somalia sind derzeit in aller Munde. Dass diese Übergriffe auch umsatzsteuerliche Risiken verursachen, dürfte bisher nur Wenigen bekannt sein.
Rechtslage
Umsätze für die Seeschifffahrt sind von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt ebenso für bestimmte Leistungen, die dem unmittelbaren Bedarf von Wasserfahrzeugen dienen.
Neue Verwaltungsanweisung
Nach Ansicht des Bayerischen Landesamtes für Steuern (LfSt) fällt die bewaffnete Sicherheitsbegleitung von Kreuzfahrtschiffen zur Vorbereitung und Abwehr von Piraten nicht unter diese Befreiung. Das Landesamtes für Steuern begründet dies mit dem Hinweis, dass die Sicherheitsbegleitung nicht unmittelbar dem Bedarf des Seeschiffes diene.
Konsequenz
Die betroffenen Unternehmer, Sicherheitsunternehmen, Söldner etc. unterliegen der Umsatzsteuer. Ob diese Umsätze allerdings überhaupt in Deutschland steuerbar sind, muss im Einzelfall geprüft werden.

8. Umsatzsteuerheft neu aufgelegt
Einführung
Reisegewerbetreibende, also z. B. Schausteller, Straßenhändler etc., müssen für umsatzsteuerliche Zwecke ein so genanntes Umsatzsteuerheft führen. Ein solches Umsatzsteuerheft sieht bestimmte Grundaufzeichnungen zur Umsatzsteuer vor und ist grundsätzlich von allen Unternehmern zu führen, die ein Reisegewerbe (ambulantes Gewerbe) betreiben. Ein Reisegewerbe führen Gewerbetreibende, wenn sie Waren oder Dienstleistungen auf Märkten, auf öffentlichen Straßen oder von Haus zu Haus verkaufen oder anbieten.
Neue Verwaltungsanweisung
Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat ein neues Muster des Umsatzsteuerheftes veröffentlicht. Es wurde an die aktuellen Gesetzesänderungen angepasst.
Konsequenz
Die Umsatzsteuerhefte sind ab sofort gemäß dem neuen Muster zu erstellen. Da die Umsatzsteuerhefte durch das zuständige Finanzamt ausgestellt werden, bietet es sich an, sich insoweit mit dem jeweiligen Finanzamt abzustimmen.

9. GbR als Komplementärin einer KG zulässig
Kernaussage
Nachdem der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2001 ausdrücklich festgestellt hat, dass die (Außen-)Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Rechtsfähigkeit besitzt und Kommanditistin einer Kommanditgesellschaft (KG) sein kann, hat das Gericht nunmehr entschieden, dass die GbR auch Komplementärin, d. h. persönlich haftende Gesellschafterin, einer KG sein kann. Da die GbR und ihre inneren Rechtsverhältnisse nicht in ein Register eingetragen werden, fehlt ihr die Publizitätswirkung nach außen. Dahingegen unterliegt der persönlich haftende Gesellschafter der KG einer speziellen Registerpublizität. Folglich sind Zusammensetzung der Gesellschafter der GbR sowie Änderungen der Vertretungsverhältnisse beim Handelsregister der KG anzumelden.
Sachverhalt
Die Antragstellerin ist eine KG, die ihre Eintragung im Handelsregister begehrt. Persönlich haftende Gesellschafterin der KG ist eine GbR. Das Registergericht wies den Antrag zurück, da eine GbR nicht Komplementärin der KG sein könne. Anderenfalls wäre nämlich erforderlich, beim Handelsregister Informationen über die Gesellschafter der Komplementärin und deren Vertretungsverhältnisse zu hinterlegen. Damit werde das Handelsregister zweckentfremdet und zu einer Art „GbR-Register“ umfunktioniert. Hiergegen legte die KG Beschwerde ein.
Entscheidung
Das Oberlandesgericht Celle gab der Beschwerde statt und wies das Registergericht an, dem Eintragungsantrag zu entsprechen. Die GbR kann auch die Stellung der persönlich haftenden Gesellschafterin der KG übernehmen. Sofern Angaben der GbR ins Handelsregister eingetragen werden, betrifft diese Eintragung nach wie vor die KG. Überdies sind die Angaben über die der GbR angehörenden Gesellschafter mit Namen, Geburtstag und Wohnort auch einzutragen, wenn die GbR Kommanditistin wird. Zudem haften die Gesellschafter neben der GbR auch persönlich, so dass das Vertrauen des Rechtsverkehrs hinsichtlich der publizierten Zusammensetzung der GbR nicht nachteilig beeinträchtigt wird.
Konsequenz
Aus Haftungsgründen erscheint eine GbR & Co. KG aus Gesellschaftersicht wenig attraktiv, da die Gesellschafter der GbR neben dieser unbeschränkt als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der KG haften. Allerdings bietet sie den Vorteil, dass der Gesellschaftsvertrag der GbR, dessen Änderungen, die Aufnahme neuer Gesellschafter oder die Veräußerung von GbR-Anteilen im Gegensatz zur GmbH keiner notariellen Form bedarf und sich somit einfacher und günstiger gestaltet.

10. Abberufener Abwickler einer AG kann besondere Hinweispflichten haben
Kernaussage
Der abberufene Abwickler einer Aktiengesellschaft (AG) kann verpflichtet sein, einen Nachfolger auf dringend zu erledigende oder für die Gesellschaft besonders wichtige Angelegenheiten ausdrücklich hinzuweisen.
Sachverhalt
Der Beklagte war Liquidator einer AG. Am 4.11.2002 schloss er mit dem früheren Mehrheitsaktionär und Vorstand der AG eine Vereinbarung, wonach dieser für 1.910.000 EUR Grundstücke von der AG erwarb. Ein Teilbetrag von 600.000 EUR sollte dabei im Wege der Verrechnung mit eigenen Pensionsansprüchen erfüllt werden. Daneben verpflichtete sich der Erwerber u. a., Verbindlichkeiten der AG aus der Unterstützungskasse gegenüber einigen Pensionären zu übernehmen, was jedoch nicht geschah. Nachdem der Beklagte in der Hauptversammlung am 30.6.2006 als Liquidator abberufen worden war, stellte schließlich der neue Liquidator am 10.11.2006 Insolvenzantrag. Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der AG und begehrt vom Beklagen Ersatz des Schadens, der der Insolvenzmasse dadurch entstanden ist, dass der Beklagte ihm die Vereinbarung mit dem Mehrheitsaktionär vorenthalten hat.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass der Beklagte pflichtwidrig gehandelt hat und verwies den Rechtsstreit an die Unterinstanz zurück. Die Pflichtwidrigkeit besteht in dem unterlassenen Hinweis des Beklagten an seinen Nachfolger als Abwickler auf die Vereinbarung vom 4.11.2002. Ein Abwickler kann sich zwar bei der Übergabe der Geschäfte an einen Nachfolger grundsätzlich auf die Übergabe der Unterlagen beschränken. Die nachwirkende Treuepflicht gebietet es jedoch, dass er auf dringend zu erledigende oder für die Gesellschaft besonders wichtige Angelegenheiten ausdrücklich hinweist, wenn nicht erwartet werden kann, dass der Nachfolger in der zur Verfügung stehenden Zeit dazu in den Unterlagen der Gesellschaft ausreichende Informationen auffindet. Die Durchsetzung der Verpflichtung zur Übernahme der Pensionsverpflichtungen war für die AG eine Angelegenheit von besonderer Bedeutung. Durch den unterlassenen Hinweis an den Nachfolgeliquidator sind alle Schäden zu ersetzen, die in der Folge des Insolvenzantrags entstanden sind, wenn durch die Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung die Zahlungsunfähigkeit hätte vermieden werden können.
Konsequenz
Die Entscheidung verdeutlicht, dass nicht nur in einem lebenden Geschäftsbetrieb Haftungsgefahren für den Geschäftsführer bestehen. Auch dem Liquidator werden umfangreiche Pflichten auferlegt, deren Nichterfüllung zu einem erheblichen Schadensersatzanspruch führen kann.

11. Außerordentliche Kündigung bei „Stalking“?
Kernfrage
Stalking am Arbeitsplatz fällt in den Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), das insbesondere vor Belästigungen schützt. Zwar besteht zunächst kein unmittelbarer Anspruch des belästigten Arbeitnehmers darauf, dass dem Stalker gekündigt wird, eine Kündigung steht aber im Ermessen des Arbeitgebers. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte nunmehr darüber zu entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fristlose Kündigung aufgrund (wiederholten) Stalkings möglich und zulässig ist.
Sachverhalt
Der Kläger war nach einer ersten Beschwerde durch den Arbeitgeber nach einem internen Verfahren darauf hingewiesen worden, dass er private Kontakte zu einer Kollegin zur Vermeidung arbeitsrechtlicher Konsequenzen auf jeden Fall zu unterlassen habe. 2 Jahre später beschwerte sich eine andere Kollegin, eine Leiharbeitnehmerin, über den Kläger, der ihr in 4 Monaten 120 private Emails geschickt hatte, sich in ihr Privatleben einmischte und drohte, er könne dafür sorgen, dass sie nicht in ein festes Anstellungsverhältnis übernommen werde. Nach einem Anhörungsverfahren kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos. Gegen die Kündigung ging dieser mit Kündigungsschutzklage vor.
Entscheidung
Nachdem das Landesarbeitsgericht dem Kläger Recht gegeben hatte, hob das BAG diese Entscheidung wieder auf und verwies sie zur erneuten Verhandlung zurück. Dabei ließen die Richter keinen Zweifel daran, dass solch massives Stalking eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. Alleine fraglich war, ob eine Abmahnung erforderlich gewesen wäre. Hier sieht das BAG weiteren Klärungsbedarf, denn eine ausdrückliche Abmahnung lag nicht vor. Es stellte dem Landesarbeitsgericht aber die Aufgabe, zu hinterfragen, ob das dem Kläger schriftlich mitgeteilte Ergebnis des internen Verfahrens 2 Jahre zuvor als eine Abmahnung gewertet werden könne.
Konsequenz
Auch wenn es nicht zu einer endgültigen Entscheidung gekommen ist, wird man das BAG so verstehen können, dass in Stalkingfällen jedenfalls nach einschlägiger vorheriger Abmahnung eine fristlose Kündigung zulässig ist.

12. Eigenkapitalersatzrecht bei Darlehensvergabe
Kernaussage
Ist eine Kapitalgesellschaft in der Krise und benötigt zusätzliches Kapital, können die Gesellschafter dieses entweder als zusätzliches Eigenkapital einbringen oder der Gesellschaft Fremdkapital in Form eines Gesellschafterdarlehens zur Verfügung stellen. Nach den von der Rechtsprechung zum alten GmbH-Recht entwickelten Regeln durften Gesellschafterdarlehen, die zu einem Zeitpunkt gewährt wurden, in denen ein ordentlicher Kaufmann der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätte, in der Krise der Gesellschaft nicht zurückgezahlt werden. In der alten Gesetzesfassung wurde ein Gesellschafterdarlehen in ein Eigenkapitalersetzendes Darlehen umqualifiziert, wenn ein Gesellschafter der Gesellschaft ein Darlehen in einem Zeitpunkt gewährt hatte, in dem ordentliche Kaufleute der Gesellschaft Eigenkapital zur Verfügung gestellt hätten. Tilgte die GmbH das Darlehen innerhalb eines Jahres vor der Insolvenz, traf den Gesellschafter eine Rückzahlungspflicht an die GmbH. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied nun, dass die alten Eigenkapitalersatzvorschriften auch bei Darlehen zwischen Schwestergesellschaften Anwendung finden können. Sollte der Gesellschafter zu „nur“ 50 % an der Darlehensgeberin (GmbH) beteiligt sein, ist erforderlich, dass er daneben alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.
Sachverhalt
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH, die bis Dezember 2004 einen Alleingesellschafter hatte. Im November 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Die Beklagte ist eine Schwestergesellschaft, an der Alleingesellschafter der GmbH ebenfalls mit einem Geschäftsanteil von 50 % beteiligt war und deren alleiniger und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer er war. Die Beklagte hatte gegen die insolvente GmbH zum 31.12.2003 einen Anspruch auf Rückzahlung eines Darlehens in Höhe von rund 510.000 EUR, der schließlich mit einer abgetretenen Drittforderung gegen die Beklagte von der GmbH aufgerechnet wurde. Die Klägerin sieht in der Aufrechnung eine verbotene Rückführung eines eigenkapitalersetzenden Darlehens und verlangt die Rückzahlung in Höhe der Unterbilanz. Die Klage war zunächst erfolglos.
Entscheidung
Der BGH gab ihr statt. Das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln findet auf den Altfall noch Anwendung. Die Eigenkapitalersatzregeln sind zum Schutz vor Umgehungen auch auf Finanzierungshilfen Dritter anwendbar, wenn dieser bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Gesellschafter gleichsteht. Ist ein Gesellschafter hiernach an der darlehensnehmenden und der darlehensgebenden Gesellschaft maßgeblich beteiligt, wird eine derartige Verbindung statuiert. Für die Maßgeblichkeit genügt eine Beteiligung an der darlehensgewährenden GmbH von mehr als 50 %. Eine maßgebliche Beteiligung ist auch bei einem Anteil von „nur“ 50 % gegeben, wenn der Gesellschafter zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer ist.
Konsequenz
Durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) wurde das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Rechtsprechungsregeln abgeschafft und in modifizierter Form in das Insolvenzrecht überführt. Auch insolvenzrechtlich können Forderungen Dritter den Gesellschafterforderungen gleichgestellt werden, so dass die Grundsätze des Urteils auch nach neuem Recht Bedeutung erlangen können.

13. Keine steuerneutrale Übertragung einzelner Wirtschaftsgüter
Kernproblem
Die Realteilung ist eine besondere Art der Auseinandersetzung bei Auflösung einer Personengesellschaft. Die Auseinandersetzung erfolgt dabei derart, dass die Gesellschafter das bisherige Gesellschaftsvermögen real (also in natura) untereinander aufteilen. Im Gegensatz zur „normalen“ Betriebsaufgabe, die grundsätzlich einen steuerpflichtigen Entnahmetatbestand darstellt, ist die Realteilung unter bestimmten Voraussetzungen steuerneutral möglich. Dies z. B. dann, wenn im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer (Realteiler) übertragen werden und die Besteuerung der stillen Reserven insoweit sichergestellt ist. Umstritten war bislang die Frage, ob auch die Übertragung auf eine (beteiligungsidentische) Schwesterpersonengesellschaft begünstigt ist.
Sachverhalt
An der klagenden GmbH & Co. KG, die über umfangreichen Immobilienbesitz verfügte, waren 2 natürliche Personen als Kommanditisten zu jeweils 50 % beteiligt. Unmittelbar vor der Realteilung dieser GmbH & Co. KG brachten die beiden Kommanditisten ihre Mitunternehmeranteile in neugegründete Personengesellschaften ein. Im Zuge der Realteilung wurde sodann das Vermögen der GmbH & Co. KG auf die neuen Personengesellschaften übertragen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung war die Realteilung nicht steuerneutral, da eine Übertragung in das Gesamthandsvermögen einer (Schwester-) Personengesellschaft keine steuerbegünstigte Realteilung sei. Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf müssen bei einer Realteilung die Wirtschaftsgüter des Gesamthandsvermögens in das Betriebsvermögen der einzelnen Realteiler übertragen werden. Realteiler seien vorliegend aber die natürlichen Personen und nicht die neugegründeten und nur kurzzeitig beteiligten Personengesellschaften gewesen (schädlicher Gesamtplan). Die Übertragung von Wirtschaftsgütern auf das Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft sei aber – in Einklang mit der Auffassung der Finanzverwaltung – vom Wortlaut der Vorschrift gerade nicht gedeckt. Eine steuerneutrale Realteilung scheide somit aus.
Konsequenzen
Die Entscheidung steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaft versagt hatte. Die gegen das Urteil des FG Düsseldorf eingelegte Revision ist indes bei einem anderen Senat des BFH anhängig. Dieser hatte in einem Verfahren über den vorläufigen Rechtsschutz die steuerfreie Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Schwesterpersonengesellschaften bejaht. Die Entscheidung im vorliegenden Revisionsverfahren bleibt somit mit Spannung zu erwarten.

14. Keine Fünftel-Methode bei ausländischen Veräußerungsverlusten
Kernproblem
Veräußert ein im Inland ansässiger Steuerpflichtiger einen im Ausland belegenen Betrieb oder eine dort betriebene freiberufliche Praxis, so wird der hieraus erzielte Gewinn im Inland regelmäßig steuerfrei gestellt, wenn mit dem ausländischen Staat ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht. Allerdings wird der (im Inland steuerfreie) Gewinn bei der Ermittlung des inländisches Steuersatzes berücksichtigt. Dieser sog. Progressionsvorbehalt wird aber abgeschwächt, wenn es sich bei dem Veräußerungsgewinn um außerordentliche Einkünfte i. S. d. Einkommensteuergesetzes handelt. Sind solche außerordentlichen Einkünfte in den steuerfrei bezogenen ausländischen Einkünften enthalten, werden diese bei der Berechnung des inländischen Steuersatzes nur zu einem Fünftel berücksichtigt (sog. Fünftel-Methode). Die Finanzgerichte hatten nunmehr zu klären, ob die Regelung auch korrespondierend für ausländische Veräußerungsverluste gilt.
Sachverhalt
Der im Inland ansässige Steuerpflichtige veräußerte im Streitjahr 2006 eine in der Schweiz belegene Zahnarztpraxis. Hieraus erzielte er einen Veräußerungsverlust, der nicht mit inländischen Gewinnen verrechnet werden konnte. Streitig war nun die Berücksichtigung des Veräußerungsverlustes bei der Ermittlung des inländischen Einkommensteuersatzes. Nach Auffassung des Finanzamts war der Verlust nur zu einem Fünftel zu berücksichtigen. Die hiergegen gerichtete Klage des Zahnarztes, der eine volle Berücksichtigung begehrte, war erfolgreich.
Entscheidung
Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist der in der Schweiz erzielte Verlust in vollem Umfang – und nicht nur zu einem Fünftel – bei der Ermittlung des inländischen Einkommensteuersatzes zu berücksichtigen. Zwar umfasse der steuerrechtliche Begriff der „Einkünfte“ unterschiedslos sowohl Gewinne als auch Verluste, indes seien Veräußerungsverluste – im Gegensatz zur Veräußerungsgewinnen – keine außerordentlichen Einkünfte. Dies begründet der BFH mit dem Gesetzeszweck der für die außerordentlichen Einkünfte geltenden Fünftelregelung, die die infolge einer progressiven Besteuerung eintretende Härte im Veräußerungsgewinnfall abmildern soll.
Konsequenz
Der BFH verneint somit – zumindest im vorliegenden Fall – die Frage, ob auch Veräußerungsverluste als außerordentliche Einkünfte zu qualifizieren sein können. Allerdings hat er ausdrücklich offen gelassen, ob er an diesem Rechtsverständnis festhalten würde, wenn in demselben Veranlagungszeitraum neben dem Veräußerungsverlust auch ein Veräußerungsgewinn als (weitere) außerordentliche Einkunft hinzutritt.

15. Fristlose Kündigung wegen verspäteter Krankmeldung
Rechtslage
Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sind Arbeitnehmer bei arbeitsunfähiger Erkrankung verpflichtet, spätestens am dritten Tag der Erkrankung eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen. Es ist zulässig, diese Regelung mit einer eindeutigen Regelung im Arbeitsvertrag auch zu Lasten des Arbeitnehmers zu verschärfen und die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor dem dritten Krankheitstag zu verlangen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte jetzt über den Inhalt einer solchen Klausel und die Möglichkeit einer fristlosen Kündigung bei Verstoß zu entscheiden.
Sachverhalt
Der Arbeitsvertrag des Klägers sah vor, dass er ab dem ersten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beizubringen habe. Nachdem er bei Verlassen der Arbeitsstelle angekündigt hatte, am Folgetag wegen Rückenschmerzen einen Arzt aufsuchen zu wollen und deshalb auch nicht zur Arbeit erschien, ohne eine Bescheinigung einzureichen, erteilte ihm der Arbeitgeber am Tag darauf eine Abmahnung. Auch an den Folgetagen legte der Klage keine ärztliche Bescheinigung vor, so dass der Arbeitgeber am fünften Krankheitstag fristlos kündigte. Erst dann wurde eine Bescheinigung vorgelegt.
Entscheidung
Mit seiner Kündigungsschutzklage unterlag der Kläger vor Gericht. Bei erschwerten Umständen kann die Nichtvorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch eine fristlose Kündigung rechtfertigen. Diese erschwerten Umstände liegen dann vor, wenn sich der Arbeitnehmer hartnäckig weigert, Bescheinigungen vorzulegen, was der Kläger im konkreten Fall durch Nichtvorlage trotz Abmahnung über Tage hinweg getan hatte. Da die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes in diesem Punkt zudem dispositiv seien, könne auch kein Verstoß gegen die guten Sitten vorliegen, so die Richter beim rheinland-pfälzischen Landesarbeitsgericht.
Konsequenz
Die Entscheidung stärkt die Rechtsprechung zur Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Legt der Arbeitnehmer auch nach Abmahnung fortgesetzt keine ärztliche Bescheinigung vor, wird man in der Regel davon ausgehen können, dass er sich der Vorlagepflicht hartnäckig widersetzt und eine – auch fristlose – Kündigung zulässig ist.
16. Neues zu „Whistleblowing“
Rechtslage
Beim so genannten „Whistleblowing“ zeigt ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber gegenüber Behörden, insbesondere der Staatsanwaltschaft, wegen unrechtmäßigen Verhaltens (un)berechtigt an. Regelmäßig stellt sich dann die Frage, ob in berechtigten Anzeigefällen eine Kündigung zulässig ist. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein hatte kürzlich in einem solchen Fall zu entscheiden.
Sachverhalt
Der Kläger, seinerzeit in Kurzarbeit beschäftigt, hatte ein Kündigungsschutzverfahren gegen den Arbeitgeber in der ersten Instanz gewonnen. Im Berufungsverfahren stellte der Arbeitgeber einen sogenannten Auflösungsantrag gegen eine geringe Abfindung. Inhalt des Auflösungsantrages ist es, trotz unwirksamer Kündigung vom Arbeitsgericht feststellen zu lassen, dass die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar. Das Arbeitsverhältnis wird sodann gegen eine im Ermessen des Gerichts liegende Abfindung aufgelöst. Hintergrund des Arbeitgeber-Antrags war, dass der Kläger gegenüber der Bundesagentur geäußert hatte, der Arbeitgeber würde Mittel des Kurzarbeitergeldes missbrauchen. Daraufhin hatte die Bundesagentur ein Strafverfahren gegen den Arbeitgeber eingeleitet, dessen Ausgang bei der vorliegenden Entscheidung noch offen war.
Entscheidung
Das LAG gab dem Auflösungsantrag mit geringer Abfindung statt. Zwar könne es Fälle geben, in denen ein Whistleblowing trotz vertraglicher Pflicht zur Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber zulässig sei. Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber aber darauf vertrauen dürfen, dass der Arbeitnehmer zunächst eine interne Klärung der Kurzarbeitergeldfrage im Gesprächswege suche. Hinzu komme, dass die Anzeige erst nach der Kündigung erfolgt sei. Vor diesem Hintergrund müsse der Arbeitgeber damit rechnen, dass Meinungsverschiedenheiten mit diesem Arbeitnehmer immer geeignet seien, eine Anzeige bei einer Behörde nach sich zu ziehen. Eine Forstsetzung des Arbeitsverhältnisse sei daher nicht zumutbar.
Konsequenz
Kommt es ohne vorherigen internen Klärungsversuch zum Whistleblowing gegenüber einer Behörde aufgrund von Meinungsverschiedenheiten im Arbeitsverhältnis, kann das Arbeitsverhältnis durch Auflösungsantrag beendet werden. Denn dann ist nicht damit zu rechnen, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit in der Zukunft möglich ist.

17. Kündigung bei Verweigerung von Zusammenarbeit
Rechtslage
Die Kündigung von Arbeitnehmern, die wegen ihrer schlechten Arbeitsleistung gekündigt werden sollen, fällt in den Bereich der verhaltensbedingten Kündigungen. Dabei gilt, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nur eine seiner Qualifikation und seinen individuellen Fähigkeiten entsprechende Leistung in mittlerer Art und Güte schuldet. Das Arbeitsgericht Magdeburg hatte nunmehr in einem Fall zu entscheiden, in dem sich Kollegen weigerten, mit einem schlechten Mitarbeiter weiter zusammen zu arbeiten und dem deshalb gekündigt worden war.
Sachverhalt
Der Kläger war bei einem Bauunternehmen beschäftigt. Verschiedene Kollegen bemängelten beim Arbeitgeber die schlechte Arbeitsleistung des Klägers; 2 Kolonnenführer weigerten sich, mit dem Kläger weiterhin zusammen zu arbeiten. Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis; der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und gewann vor dem Arbeitsgericht.
Entscheidung
Die Schlechtleistungen rechtfertigten angesichts der Tatsache, dass die Güte der Arbeitsleistung an den individuellen Fähigkeiten des Arbeitnehmers zu messen sei, keine Kündigung. Auch ein Fall einer zulässigen Druckkündigung, also einer Kündigung, die dadurch bedingt ist, dass Dritte dem Arbeitgeber mit erheblichen Nachteilen für den Fall drohen, dass der Arbeitnehmer nicht gekündigt werden, sei nicht gegeben. Selbst wenn die verweigerte Zusammenarbeit der übrigen Mitarbeiter geeignet sei, erhebliche wirtschaftliche Schäden beim Arbeitgeber auszulösen, habe der Arbeitgeber nicht hinreichend versucht, sich schützend vor den Arbeitnehmer zu stellen und alles Zumutbare zu unternehmen, um die Dritten von der Drohung abzubringen. Insbesondere hätte der Arbeitgeber versuchen müssen, durch innerbetriebliche Maßnahmen die Schlechtleistung für die übrigen Mitarbeiter nicht spürbar werden zu lassen; z. B. durch Mehrarbeitsvergütung.
Konsequenz
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die Kündigung eines schlecht arbeitenden Mitarbeiters wegen der Schlechtleistung erhebliche rechtliche Probleme birgt. Insbesondere wird man zunächst nach einer innerbetrieblichen Lösung suchen und diese dokumentieren müssen.

18. Muss Arbeitgeber den Arbeitsvertrag unaufgefordert übersetzen?
Rechtslage
(Formular)Arbeitsverträge sind nach den Regelungen über allgemeine Geschäftsbedingungen überprüfbar. Das heißt insbesondere, dass sie keine überraschenden oder nicht verständlichen Klauseln enthalten dürfen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz hatte jetzt darüber zu entscheiden, ob ein solcher Verstoß bei einem Arbeitnehmer, der der deutschen Sprache nicht mächtig war, bereits deshalb vorlag, weil der Arbeitgeber diesem Arbeitnehmer nicht vor vorneherein eine Übersetzung des Arbeitsvertrages in dessen Muttersprache zur Verfügung gestellt hatte.
Sachverhalt
Der Kläger, ein portugiesischer Fernfahrer, hatte mit dem deutschen Arbeitgeber teilweise in portugiesisch über einen Arbeitsvertrag verhandelt. Ihm war ein deutschsprachiger Formulararbeitsvertrag übersandt worden, den er unterschrieb, ohne eine Übersetzung zu verlangen. Bestandteil des Vertrags war eine Ausschlussfrist, nach deren Ablauf die Geltendmachung von Ansprüchen ausgeschlossen war. Mit seiner nach Ablauf dieser Ausschlussfrist eingereichten Klage machte er Vergütungs- und Reisekostenansprüche geltend. Die Ausschlussfrist hielt er für nicht anwendbar, weil er diese nicht verstanden habe und er sie daher nicht zur Kenntnis haben nehmen können. Somit sei sie nicht wirksam in den Arbeitsvertrag einbezogen worden.
Entscheidung
Das LAG wies die Klage ab. Die in den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen enthaltene Regelung, nach der eine Prüfung erfolgen müsse, ob eine Regelung wirksam in das Vertragsverhältnis einbezogen worden sei, gelte für Arbeitsverträge nicht. Diese seien zwar nach den Vorschriften über allgemeine Geschäftsbedingungen inhaltlich überprüfbar, eine Einbeziehungsprüfung gebe es aber nicht, weil der Arbeitgeber schon aus anderen gesetzlichen Vorschriften verpflichtet sei, die wesentlichen Vertragsbestandteile schriftlich auszuhändigen. Die Wirksamkeit der Ausschlussfrist richte sich daher alleine nach den allgemeinen Regelungen. Die Übersendung des Arbeitsvertrages stelle das Angebot des Arbeitgebers dar, das der Arbeitnehmer durch Unterschrift in unveränderter Form angenommen habe. Die sprachliche Unkenntnis falle alleine in den Risikobereich des Arbeitnehmers.
Konsequenz
Die Entscheidung überzeugt inhaltlich. Insbesondere berücksichtigt sie, dass ein Arbeitsvertrag nach Sinn und Zweck etwas Anderes ist als Allgemeine Geschäftsbedingungen. Ungeachtet dessen ist die Entscheidung nicht rechtskräftig; sie ist mit Revision beim Bundesarbeitsgericht (BAG) angegriffen worden, dessen Urteil noch aussteht.

19. Zur Ablehnung sprechbehinderter Bewerber
Rechtslage
Dem wegen einer Diskriminierung abgelehnten Bewerber steht nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eine Entschädigung zu. Wäre er darüber hinaus der beste Bewerber gewesen und hätte damit eingestellt werden müssen, ist zudem noch ein echter Schadensersatzanspruch in Form eines Schmerzensgeldes denkbar. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte zu den Voraussetzungen dieser Ansprüche zu entscheiden.
Sachverhalt
Der Kläger war wegen Stotterns mit einem Grad der Behinderung von 30 erwerbsunfähig. Er bewarb sich beim Beklagten als Arbeitsvermittler, erhielt aber eine Absage mit der Begründung, andere Bewerber seien besser informiert und kommunikationsstärker gewesen. Mit seiner Klage, die im Rahmen der Entscheidung über Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, machte er Schmerzensgeld in Höhe von rd. 30.000 EUR und eine Entschädigung in Höhe dreier Monatsgehälter geltend, weil er wegen seiner Behinderung abgelehnt worden sei. Der Beklagte wandte ein, das Argument der Kommunikationsstärke habe sich nicht auf die Behinderung, sondern auf die Gesprächsführung bezogen.
Entscheidung
Das Gericht gewährte dem Kläger Prozesskostenhilfe lediglich für den Entschädigungsanspruch. Die Verwendung des Arguments der Kommunikationsschwäche lasse durchaus den Schluss zu, dass die Sprechbehinderung in diskriminierender Weise ausschlaggebend für die Ablehnung gewesen sei. Damit griffen die Beweislastmechanismen des AGG und der Arbeitgeber müsse nachweisen, dass gerade keine Diskriminierung vorgelegen habe. Vor diesem Hintergrund sei aber lediglich eine Entschädigung möglich, weil der Beklagte im Übrigen nachgewiesen habe, dass der Kläger auch bei Nichtberücksichtigung der Behinderung nicht eingestellt worden wäre, weil andere Bewerber besser waren.
Konsequenz
Die Entscheidung zeigt zum einen, dass eine Diskriminierungshandlung nur bei einer „echten“ Schwerbehinderung möglich ist. Zum anderen macht sie die Gefahren deutlich, die eine unpräzise Ablehnung in sich birgt.

20. Verdeckte Gewinnausschüttungen bei Konzessionsabgaben
Kernproblem
Unter einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensverminderung oder verhinderte Vermögensvermehrung zu verstehen, die gesellschaftsrechtlich veranlasst ist und keine offene Gewinnausschüttung darstellt. Von einer gesellschaftsrechtlichen Veranlassung ist dabei regelmäßig auszugehen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil verschafft, den sie einem Dritten in vergleichbaren Fällen nicht gewährt hätte. Diese Grundsätze gelten grundsätzlich auch für das Verhältnis eines Versorgungsbetriebs zu seiner Gebietskörperschaft. Im vorliegenden Fall hatten die Gerichte dabei über die zulässige Höhe der zu zahlenden Konzessionsabgabe „Wasser“ zu entscheiden.
Sachverhalt
Die klagende GmbH war 100 %ige Anteilseignerin einer AG. Zwischen beiden bestand ertragsteuerlich ein Organschaftsverhältnis. Die AG, welche ebenso wie die GmbH ein Wasserversorgungsunternehmen war, zahlte an die Stadt eine Konzessionsabgabe „Wasser“. Die zu zahlende Konzessionsabgabe bemaß die AG im Streitjahr 1994 nach dem für Gemeinden mit 100.001 bis 500.000 Einwohner maßgeblichen Prozentsatz von 15 %. Die Einwohnerzahl basierte auf den vom Statistischen Landesamt Rheinland-Pfalz für 1994 festgestellten Werten. Das Finanzamt ging hingegen von einer Einwohnerzahl von unter 100.000 aus und berief sich dabei auf die letzte Volkszählung aus dem Jahr 1987. Die Konzessionsabgabe hätte daher nur maximal 12 % betragen dürfen. Den Differenzbetrag qualifizierte sie als vGA und somit nicht abzugsfähige Betriebsausgabe. Der hiergegen gerichteten Klage der GmbH wurde nunmehr vor dem Bundesfinanzhof (BFH) stattgegeben.
Entscheidung
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass die 15 % vorliegend zulässig sind und somit keine vGA gegeben ist. Zur Bestimmung des fremdüblichen Preises sei auf preisrechtliche Verordnungen abzustellen; hierbei stelle sich nur die Frage, auf welche. Die in der Konzessionsabgabenanordnung (KAE) 1941 vorgeschriebene Bestimmung der Einwohnerzahl anhand des Ergebnisses der Volkszählung aus dem Jahr 1939 sei jedenfalls verfassungswidrig und daher nichtig. Vielmehr sei auf die Konzessionsabgabenverordnung 1992 abzustellen, die – wie vorliegend die Klägerin – auf die Daten der Statistischen Landesämter abstellt. Die in der Körperschaftsteuerrichtlinie 1990 wiedergegebene Auffassung, wonach auf die Ergebnisse der letzten durchgeführten Volkszählung abzustellen sei, wird abgelehnt.
Konsequenzen
Der BFH weist ausdrücklich darauf hin, dass die Gemeinden und Wasserversorger auch einen niedrigeren Konzessionssatz als den jeweiligen in der KAE enthaltenen Höchstsatz vereinbaren können. Dies hat zur Folge, dass in der Praxis stets eine klare, im Voraus getroffene, zivilrechtlich wirksame und tatsächlich durchgeführte Vereinbarung geschlossen werden muss. Anderenfalls droht im Fall des beherrschenden Gesellschafters die Feststellung einer vGA bereits aus formellen Gründen.

21. Berücksichtigung des Nach-Tat-Verhaltens für fristlose Kündigung
Rechtslage
Im Rahmen von fristlosen Kündigungen kommt es bei deren gerichtlicher Überprüfung immer zu einer Interessenabwägung zwischen der Schwere des Pflichtenverstoßes und den berechtigten Belangen des Arbeitnehmers (z. B. langjähriges unbeanstandetes Beschäftigungsverhältnis). Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg hatte nunmehr darüber zu entscheiden, wie das sogenannten Nach-Tat-Verhalten, also im Zeitraum zwischen Pflichtenverstoß und Kündigung, des Arbeitnehmers in dieser Interessenabwägung zu berücksichtigen ist.
Sachverhalt
Der Arbeitnehmer war fristlos gekündigt worden, weil er tatsächlich von ihm eingelegte Pausen nicht als solche gekennzeichnet, sondern als Arbeitszeit deklariert hatte. Zwar waren die Umstände beim zur Kündigung führenden Fall zum Teil streitig, allerdings war der Arbeitnehmer einschlägig vorher abgemahnt worden. Im Zeitraum zwischen der Feststellung des Pflichtenverstoßes und dem Ausspruch der fristlosen Kündigung hatte er stets geleugnet, Pausenzeiten als Arbeitszeit deklariert zu haben. Gegen die fristlose Kündigung klagte der Arbeitnehmer.
Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht wies die Kündigungsschutzklage ab. Der dem Kläger zur Last gelegte Arbeitszeitbetrug sei für sich genommen eine so schwere Pflichtverletzung, dass eine fristlose Kündigung, insbesondere nach entsprechenden Abmahnungen, zulässig sei. Darüber hinaus sei es korrekt, das stetige Leugnen des Pflichtverstoßes bis zur Kündigung zu Lasten des Arbeitnehmers in die erforderliche Interessenabwägung mit einzubeziehen. Auch eine in Einzelfällen abweichende Rechtsprechung zu fristlosen Kündigungen, in der das Nach-Tat-Verhalten nicht in die Interessenabwägung mit einbezogen worden sei, obwohl der Arbeitnehmer auch dort den Pflichtverstoß geleugnet hatte, könne im Falle des Klägers nicht angeführt werden. Denn in der insoweit abweichenden Rechtsprechung sei deutlich gemacht worden, dass das dortige Leugnen „prozessuales Verteidigungsvorbringen“ gewesen sei.
Konsequenz
Es gilt weiterhin die Regel, dass das Nach-Tat-Verhalten des Arbeitnehmers zu seinen Lasten in die Interessenabwägung über die Zulässigkeit einer fristlosen Kündigung mit einbezogen werden kann. Dies entspricht der „Regelrechtsprechung“; anders lautende Rechtsprechung bildet die Ausnahme.

22. Arbeitgeber muss Betriebsrat bei fristloser Verdachtskündigung anhören
Kernfrage
In Unternehmen, bei denen ein Betriebsrat besteht, können Kündigung nur dann wirksam erfolgen, wenn der Betriebsrat im Vorfeld angehört wurde. Dies gilt auch bei fristlosen Kündigungen, bei denen die Anhörung während der laufenden 2-Wochen-Frist, innerhalb derer eine fristlose Kündigung ausgesprochen werden muss, zu erfolgen hat. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hatte nunmehr darüber zu entscheiden, in welchem Umfang der Betriebsrat angehört werden muss.
Sachverhalt
Der Kläger war langjährig beim Arbeitgeber beschäftigt und wurde wegen eines Diebstahlsverdachts fristlos gekündigt. Der Arbeitgeber hörte den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung zwar an, teilte diesem aber lediglich die konkreten Umstände mit, auf die die Kündigung gestützt worden war. Vorherige Abmahnungen, auf denen die fristlose Kündigung im Rahmen der Interessenabwägung auch beruhte, teilte der Arbeitgeber in der Anhörung nicht mit. Diese waren dem Betriebsrat aber – wenigstens teilweise – bekannt.
Entscheidung
Der Kläger gewann vor Gericht. Die erforderliche Betriebsratsanhörung entsprach nicht den gesetzlichen Vorgaben, so dass die Kündigung alleine aus betriebsverfassungsrechtlichen Gründen unwirksam war. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat bei einer fristlosen Kündigung über sämtliche Umstände anhören, die in die Entscheidung mit eingeflossen sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer zuvor langjährig beschäftigt war. Im Falle eines bisher unbeanstandeten Arbeitsverhältnisses spricht dieser Umstand nämlich regelmäßig gegen eine fristlose Kündigung. Im Umkehrschluss ist vorheriges Fehlverhalten ebenso mitzuteilen. Dies gilt selbst dann, wenn der Betriebsrat an vorherigen Abmahnungen teilweise beteiligt war.
Konsequenz
Die Entscheidung zeigt die Bedeutung des Betriebsrates insbesondere in Kündigungsfragen. Denn eine Kündigung ist unwirksam – und nicht mehr heilbar – wenn das gesetzlich vorgeschriebene Anhörungsverfahren nicht ordentlich durchgeführt worden ist; und zwar unabhängig davon, ob die Kündigung zulässig gewesen wäre. Besteht ein Betriebsrat, muss der Arbeitgeber möglichst weitreichend informieren.

23. Testamentsvollstrecker-Vermerk im Handelsregister einer KG zulässig?
Kernaussage
Ist über den Nachlass eines Kommanditisten Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, so ist auf Antrag des Testamentsvollstreckers ein Testamentsvollstreckervermerk in das Handelsregister einzutragen.
Sachverhalt
Ein Erblasser, ehemals Kommanditist einer GmbH & Co. KG, wurde von 2 Personen beerbt. Über seinen Nachlass war Testamentsvollstreckung angeordnet. Der Testamentsvollstrecker beantragte, in das Handelsregister einzutragen, dass der Kommanditist verstorben und seine Beteiligung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft übergegangen sei. Ferner, dass Testamentsvollstreckung angeordnet sei. Das zuständige Registergericht verweigerte die Eintragung mit der Begründung, Erben könnten nicht als Erbengemeinschaft eingetragen werden. Zudem bestünde kein schützenswertes Interesse an der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks und im Übrigen sei ein Erbschein erforderlich, wenn das Nachlassgericht die Akte nicht auf Anforderung übersende. Der Bundesgerichtshof (BGH) sah dies anders und gab dem Testamentsvollstrecker Recht.
Entscheidung
Grundsätzlich werden in das Handelsregister nur die Tatsachen und Rechtsverhältnisse eingetragen, deren Eintragung gesetzlich vorgesehen ist. Darüber hinausgehende Eintragungen sind zulässig, wenn ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der Verlautbarung besteht. Danach kann die auf einen Kommanditanteil bezogene Testamentsvollstreckung jedenfalls im Handelsregister vermerkt werden, wenn Dauertestamentsvollstreckung angeordnet ist. Hier besteht ein schutzwürdiges Interesse an der Information. Die KG wird beim Tod eines Kommanditisten mit den Erben fortgesetzt; jeder Erbe erhält eine eigenständige Beteiligung im Umfang seiner Erbquote. Ist an dem Nachlass Testamentsvollstreckung angeordnet, erfasst sie auch diese übergegangenen Anteile, sofern gesellschaftsvertraglich angeordnet. Durch die Testamentsvollstreckung sind die Erben zwar nicht vor der (gesetzlich begrenzten) persönlichen Inanspruchnahme in Bezug auf die Gesellschaftsverbindlichkeiten geschützt. Die Eigengläubiger der Erben können aber nicht auf das der Testamentsvollstreckung unterliegende Nachlassvermögen zugreifen. Insofern entfaltet diese eine unmittelbare haftungsrechtliche Außenwirkung.
Konsequenz
Da die Rechte eines Kommanditisten bei angeordneter Testamentsvollstreckung allein der Testamentsvollstrecker ausüben kann, hat der Rechtsverkehr ein berechtigtes Interesse, darüber unterrichtet zu werden.

GmbH-Gesellschafter/-Geschäftsführer

1. Schadensersatzanspruch eines GmbH-Geschäftsführers bei eingeschränkten Aufgaben
Kernaussage
Kündigt ein Geschäftsführer seinen Anstellungsvertrag, weil sein Aufgabenbereich eingeschränkt wurde, entfallen die Vergütungsansprüche. Ein Schadensersatzanspruch gegen die GmbH wegen Auflösungsverschuldens scheidet jedenfalls dann aus, wenn keine Verletzung des Anstellungsvertrages oder der Satzung durch die Kompetenzbeschneidung festzustellen ist.
Sachverhalt
Der Kläger und seiner Ehefrau waren alleinige Gesellschafter der beklagten GmbH und zugleich deren jeweils alleinvertretungsberechtigte und zur Vornahme so genannter Insichgeschäfte berechtigte Geschäftsführer. Nachdem sie sämtliche Anteile an der GmbH an eine GmbH & Co. KG veräußerten, schlossen sie mit der GmbH einen Geschäftsführeranstellungsvertrag ab. In der Folgezeit kann es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Kläger und der Gesellschafterin, weil diese diverse Abteilungen der beklagten GmbH auf andere Konzernunternehmen verlagert hatte. Daraufhin bestellte die Gesellschafterin einen weiteren Geschäftsführer, widerrief die dem Kläger und seiner Ehefrau erteilte Alleinvertretungsberechtigung sowie die Erlaubnis zur Vornahme von Insichgeschäften und erließ eine Geschäftsordnung. Hiernach waren der Kläger und seine Ehefrau fortan berichtspflichtig und weisungsgebunden gegenüber dem weiteren Geschäftsführer. In der Folge erklärte der Kläger die fristlose Kündigung seines Anstellungsvertrages. Mit der Klage machte der Kläger seine vertraglichen Vergütungsansprüche geltend und verlor.
Entscheidung
Veranlasst ein Vertragspartner einen Dienstverpflichteten durch schuldhafte Vertragsverletzung zur außerordentlichen Kündigung, so kann der Kündigende Schadensersatz verlangen. Für den Fall einer Abberufung des Geschäftsführers hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits entschieden, dass die Gesellschaft nur ihr gesetzliches Recht der jederzeitigen Abberufung wahrnimmt, so dass eine Vertragsverletzung nicht vorliegen kann. Die streitige Frage, ob diese Rechtsprechung auch im Fall der Einschränkung des Kompetenzbereichs des Geschäftsführers Anwendung findet, musste vorliegend nicht entschieden werden, da weder dem Anstellungsvertrag des Klägers noch der Satzung der beklagten GmbH zu entnehmen war, dass eine Kompetenzbeschränkung unzulässig ist.
Konsequenz
Die Frage, ob Vereinbarungen im Anstellungsvertrag, die körperschaftsrechtlichen Regelungen widersprechen, schuldrechtlich wirksam bleiben und ein Recht zur fristlosen Kündigung mit Schadensersatzansprüchen begründen, bleibt weiterhin offen.

2. Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern durch Geschäftsführer
Kernaussage
Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommene GmbH-Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und daher dem Gläubiger keine Darlegung von Einzelheiten möglich ist.
Sachverhalt
Die Klägerin schloss mit der GmbH (Schuldnerin) im Mai 2005 einen Frachtvertrag ab. Aus diesem Vertrag stand der Klägerin ein 8 Tage später fällig werdender Vergütungsanspruch in Höhe von 36.500 EUR zu. Ein Mitte Juni 2005 gestellter Insolvenzantrag wurde mangels Masse abgelehnt. Die Klägerin nimmt den Geschäftsführer wegen verspäteter Insolvenzantragstellung und Eingehungsbetrug auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem das Landgericht der Klage antragsgemäß entsprochen hatte, wies das Oberlandesgericht die Klage in der Berufung ab. Schließlich obsiegte die Klägerin vor dem Bundesgerichtshof (BGH).
Entscheidung
Der Klägerin steht ein entsprechender Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer zu. Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin im Mai 2005 aufgrund von Zahlungseinstellung zahlungsunfähig und damit insolvenzreif. Der daraus folgenden Insolvenzantragsstellungspflicht wurde nicht nachgekommen, denn der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bei Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich sofort zu stellen. Die oft zitierte 3-Wochen-Frist bezieht sich auf die Bemühungen des Geschäftsführers, die Krise zu überwinden, bzw. die Insolvenzantragsgründe zu beseitigen, was hier ausschied. Hinsichtlich der Voraussetzungen der Zahlungseinstellung hätte grundsätzlich die Klägerin diese darlegen und beweisen müssen. Weil jedoch keine Unterlagen bei der Schuldnerin aufgefunden bzw. vorgelegt wurden, bedurfte es dessen nicht. Nach der Rechtsprechung gelten die Voraussetzungen der Insolvenzreife nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.
Konsequenz
Das Urteil hilft der beweisbelasteten Klägerin bei der Durchsetzung von Schadensersatzforderungen gegen den GmbH-Geschäftsführer in der Insolvenz. Es wird deutlich, dass sich der Geschäftsführer auch nicht durch Vernichtung von Unterlagen dieser Haftung entziehen kann.