Ehegattenunterhalt bei guten Einkommensverhältnissen: Haushaltsbuch, Kontoauszüge und Quittungen aufheben!

Im Gesetz (§1578 BGB) und den Leitlinien der Oberlandesgerichte ist festgelegt, dass sich der Unterhalt eines Ehegatten nach den ehelichen Lebensverhältnissen bestimmen soll. Das leuchtet ein, da es darum geht, einem bedürftigen Ehegatten das zu geben, was er bei Fortführung des ehelichen Zusammenlebens gehabt hätte, vorausgesetzt es besteht überhaupt ein Unterhaltsanspruch wegen Kinderbetreuung, Krankheit, Alter oder sonstiger relevanter finanzieller Nachteile aus der Ehe. Man sollte also meinen, dass der Bedürftige im Regelfall nicht mehr als die Hälfte dessen bekommen kann, was die Ehegatten beim Zusammenleben für ihre Lebensführung monatlich ausgaben. Es sollte aber auch nicht wesentlich weniger sein. Dass der Bedarf des Ehegatten in unterschiedlicher Weise ermittelt wird, beweisen diverse Entscheidungen der Oberlandesgerichte, zuletzt die Entscheidung des OLG Stuttgart vom 17.09.2015, 11 UF 100/15. Fasst man das Problem zusammen, lässt sich sagen, es kommt nicht nur auf den Einzelfall an, sondern auch auf die Rechtsprechung des jeweiligen Oberlandesgerichts. Es müssen nämlich die Fälle der Standardberechnung mit einer Quote des ehelichen Einkommens (je nach Leitlinie drei Siebtel oder die Hälfte von 90 Prozent des ehelichen Einkommens) von den Fällen getrennt werden, die eine konkrete Darstellung der einzelnen Positionen bei den üblichen Ausgaben des Bedürftigen verlangen. „Konkreter Bedarf“ heißt nichts anderes als Bezifferung der monatlichen Kosten für Lebensmittel, Wohnen, Gesundheit, Pflege, Urlaub usw. und Nachweis durch Belege. Immerhin gibt es wenigstens noch eine Gemeinsamkeit der obergerichtlichen Rechtsprechung, dass nur bei „besonders günstigen Einkommensverhältnissen“ eine konkrete Bedarfsbemessung vorzunehmen ist. Wann liegen aber „besonders günstige Einkommensverhältnisse“ vor? Der Bundesgerichtshof sieht sie dann als gegeben an, wenn anzunehmen ist, dass ein Teil der zur Verfügung stehenden Mittel in Vermögensbildung fließt, BGH NJW 2010, 3372; NJW 2012, 1578. Dieser Allgemeinsatz hilft in der praktischen Anwendung nicht weiter, es kommt also auf die „tatrichterliche Würdigung“ des Einzelfalls an. Folgende Regeln lassen sich bei einigen Obergerichten derzeit feststellen:

  • ein Bedarf des Berechtigten (nicht Einkommen des Pflichtigen!) von mehr als 5000 EUR erfordert eine konkrete Darlegung: OLG Stuttgart a. a .O., OLG Brandenburg 10 UF 227/10, OLG Zweibrücken FamRZ 2014, 216, OLG Köln FamRZ 2012, 1731;
  •  konkreter Bedarf bei einem bereinigten Gesamteinkommen der Eheleute von über 5100 EUR (höchste Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle) nach Ziffer 15.3 der Leitlinien des OLG Hamm und OLG Oldenburg;
  • konkrete Bedarfsermittlung gemäß Leitlinien des OLG Frankfurt und OLG Thüringen bei einem Elementarunterhalt von über 2500 EUR nötig;
  • Leitlinien des OLG Koblenz: Das Einkommen der Eheleute bei einer konkreten Bedarfsberechnung soll das Doppelte des Höchstbetrags der Düsseldorfer Tabelle übersteigen (derzeit 10200 EUR).
  • Allgemeine Regel: Bei einem Bedarf von mehr als 5000 EUR ist dieser konkret darzulegen.

Außerhalb dieser Regeln wird es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. So kann  das Konsumverhalten der Eheleute (z. B. sparsame Lebensführung bei Bildung von Vermögen, konkrete Bedarfsberechnung also schon bei niedrigerem Einkommen ) ebenso von Bedeutung sein wie die allgemein höheren Lebenshaltungskosten in Ballungsgebieten (konkrete Bedarfsberechnung erst bei höherem Einkommen).

Zusammenfassend sollten jedenfalls Berechtigte wie Verpflichtete bei guten Einkommensverhältnissen gewarnt sein: Wer den konkreten Bedarf im Sinne einer Darstellung durch Haushaltsbuch, Quittungen und andere Belege nicht kennt, wird bei der Unterhaltsdiskussion vor Gericht nicht „mitreden“ können.